Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Sonntag, August 07, 2005

Fables: Legends in Exile TPB 1

Gastrezension von IDUR. Sehr vielen Dank!

Written by Bill Willingham, pencils by Lan Medina (Vertigo). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Märchen in Comics? Für Erwachsene? Geht das? Vertigo und das mehrfach Eisner-gekrönte Team um Autor Bill Wilingham und den ausgezeichneten Cover-Zeichner James Jean beweisen, dass es geht. Fables TPB 1 1Ihnen ist, aufbauend auf einer relativ einfachen Ausgangslage, ein Storybogen gelungen, der Leser jeden Monat nach dem neuen Heft lechzen lässt. Witz und Charme, Liebe und Gewalt, Krieg und Frieden sowie eine gehörige Portion an Wiedererkennungswert prägen eine der aktuell besten Comic-Serien.

Die Ausgangslage ist simpel und für jedermann verständlich. Das Böse mit Namen „Adversary“ hat die Fabelgestalten aus ihrer Welt vertrieben und sie zur Emigration gezwungen. Diese haben sich nun in einem Hochhaus mitten in New York niedergelassen. Die tierischen Fabelgestalten leben außerhalb auf der Animal Farm (George Orwell lässt grüßen). Nun müssen sie mit den tagtäglichen Problemen der Menschen (Mundies genannt) fertig werden.

Dem Erstling „Legends in Exile“ kommt dabei die schwierige Aufgabe der Vorstellung der Protagonisten zu. Fables TPB 1 2Oft scheitern solche Geschichten daran, dass man einen vordergründigen Anlass vorschiebt, um eine Einleitung zu bewerkstelligen. Willingham meistert den Spagat sehr gut, begünstigt durch den bereits bestehenden Bekanntheitsgrad der handelnden Figuren und dem visuell ansprechenden Artwork von Len Medina und Steve Leihaloha. Der von ihm verwendete Kriminalfall rund um die Ermordung Rosenrots, der jüngeren Schwester Schneewittchens, kann zwar auch eindeutig als begleitender Handlungsbogen identifiziert werden. Durch die Verwendung kriminalistischer Methoden der alten Schule wird diese „Nebenhandlung“ jedoch zu einem netten Zusatzspaß, dessen Auflösung Hercule Poirot zur Ehre gereicht hätte und in deren Verlauf beinahe alle Akteure entsprechend zu Geltung kommen.

Willingham verpasst Fables TPB 1 3den einzelnen Figuren eine jeweils hervorstechende Charaktereigenschaft, die sie umso liebenswerter oder abscheulicher erscheinen lässt. Neben dem verwirrten älteren König, der als Bürgermeister fungiert, sind unter anderem der arrogant reiche Blaubart, der dümmlich wirkende Froschkönig, der Kerben in seine Bettpfosten ritzende Märchenprinz, der lüsternde und im Kinderkörper gefangene Pinocchio oder die zynische Märchenhexe zu nennen. Die ganze Serie steht und fällt jedoch mit zwei Hauptakteuren: Schneewittchen und der böse Wolf.

Wer braucht schon Lois Lane, wenn er mit der agierenden Vizebürgermeisterin Schneewittchen ein hübscheres und vor allem sympathischeres Exemplar zur Verfügung hat. Fables TPB 1 4Harte Schale, weicher Kern trifft auch hier zu. In ihrer Verzweiflung um Rosenrot wirkt sie jedoch deutlich sensibler, schützens- und dadurch auch begehrenswerter als die Grand Dame des DCU. Das hat auch der als Sheriff agierende Wolf in Menschengestalt bemerkt. Der Widerspruch in seiner gewalttätigen Vergangenheit, dem strukturierten Vorgehen als oberster Gesetzeshüter von Fable Town und der zögerlich bekundeten Zuneigung zu Schneewittchen ist einer der Höhepunkte von Fables. Wolverine oder Batman können in ihrer Funktion als einsame Wölfe dem Original nicht mal annähernd das Wasser reichen.

Und so kommt es, dass der Wolf auf liebenswerte Art die Bewohner von Fable Town im Zuge der Ermittlungsarbeit tyrannisiert, Schneewittchen umgarnt und nebenbei auch noch den Fall löst. Das hört sich nach einer Menge Spaß an und genau das ist es auch. Ob er das Mädchen kriegt, muss jeder für sich selbst lesen. Aber im Zuge einer Vorschau darf ich euch bereits jetzt sagen, die Serie wird immer besser und besser.

9/10
(aber nur, weil ich die Zukunft der Serie kenne und weiss, dass es noch besser wird)

Idur