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Sonntag, Januar 01, 2006

House of M TPB

Gastreview von Legacy. Sehr vielen Dank!

Written by Brian M. Bendis, pencils by Oliver Coipel (Marvel). Deutsch: Noch keine Veröffentlichung


Nichts wird mehr so sein wie vorher…

Dieser Spruch ist keinem Comic-Leser fremd und bereits so sinnentleert wie ein halbleeres Glas Hoffnung!Doch ganz ehrlich, klammheimlich hat sich jeder waschechte Marvelianer doch mal wieder eines dieser Events gewünscht, in dem die Struktur der einzelnen Serien aufbricht und eine Lawine von Marvelhelden ins tiefe Tal des Gemeinschaftsgeballer rauschen lässt, um sich einer Bedrohung zu stellen, die größer ist, als alles bislang Dagewesene!Mir jedenfalls ging es so nach einer langen Durststrecke und kläglichen Schwanengesängen!Crossover mutierten irgendwann Ende der 90er zu einem Running Gag!

Nach obligatorischen X-Men-Sommer-Spektakeln und dem wohl grandiosesten, weil innovativsten und kreativsten, AGE OF APOCALYPSE, kam lange Zeit nichts mehr, jedenfalls nichts Gutes! Was Quesada wohl zu seiner No-More-X-Over-Devise überzeugt hat. Ausnahmen bestätigen wie auch bei seiner Dead-Means-Dead-Politik selbstredend die Regel, doch zählen „The Eighth Day“ und Exoten wie „Maximum Security“ wohl kaum zu den großen Glanzlichtern in einer Geschichten von Geschichten, einst bedeutungsvoll von SECRET WARS eingeleitet!

„Das Comicgeschäft unterliegt wellenartigen Veränderungen!“, so Quesada in einem Interview. Man gibt dem Fans solange, wonach sie verlangen, bis sich das Thema von selbst ausreizt, man schlägt eine vollkommen andere Richtung ein, mitunter eine mutige, eine riskante, vielleicht auch eine, die scheitert, doch letzten Endes gelangt man immer wieder an den Punkt zurück, an dem die Zeit reif ist für Veränderung... Für einen Rückschritt ins Altbekannte? Für einen Fortschritt ins Neuinterpretierende? 2005 war das Jahr, in dem Marvel seine Charactere immer wieder vermehrt miteinander interagieren ließ! Nicht umsonst füllen Helden die NEW AVENGERS Reihen, die mutig, riskant, vielleicht auch gescheitert eingesetzt wurden, um Veränderung zu forcieren!

Interaktion und Verengung des Universums. Kaum ein Heft kommt derzeit ohne Gaststars aus! Moment, Stan Lee und seine Mitautorenzeichner etablierten genau dieses Prozedere. Wenn 1000 Helden in New York umherschwingen, -fliegen, -jetten, -düsen, -hüpfen, -retten, dann müssen sie unweigerlich aufeinandertreffen! Marvel besinnt sich derzeit dieser seiner Wurzeln und schafft einen größeren Zusammenhang ihrer einzelnen Franchises! Natürlich war da ein massentauglich eingesetztes Crossover nur eine Frage der Zeit!

Wenn man den Beteiligten Glauben schenken darf, war DISASSEMBLED Auslöser für so manche Konferenz, Idee und Konzeptsitzung, in der man nach und nach auf die Prämisse von HOUSE OF M stieß! Wanda Maximoff war verrückt geworden, entrückt, ihrer Kräfte über das Chaos unterlegen und angestachelt von einem ihr sehr lieben Menschen, schuf sie eine Welt, ein Utopia für die bislang so unterdrückten Mutanten! Ein Zerrspiegel! Menschen sind die Minderheit, Mutanten an der Macht! Parallelen zu AOA sind unverkennbar! Und dennoch! Alles scheint logisch! HOUSE OF M (Die Haupt-Mini-Serie) liest sich in jeder Form wie eine Konsequenz, die aus den Entwicklungen, die ihr vorangehen, kommen musste! Die unweigerlich-unaufhaltsame Welle der Veränderung! Ein Grossreinemachen!

Parallelen zu CRISIS sind unverkennbar! Und dennoch! Alles scheint logisch! HOUSE OF M war notwendig! Leider nimmt das der Serie eine Menge an Substanz! In keiner der 8 Ausgaben hatte ich das Gefühl, wirklich an einem Abenteuer teil zuhaben, sondern lediglich Beobachter zu sein, von Dingen, die an mir vorbeirauschen! Klar, einige coole Twists haben sich der Herr Autor Bendis und sein Zeichner Coipel einfallen lassen. Wolverine als Head Of S.H.I.E.L.D. ist da mit seinen furchtbar coolen X-Men-Agenten noch die aufregendste!

Ehrlich gesagt hätte ich absolut nichts gegen eine HOM-S.H.I.E.L.D.-Ongoing! Im Gegenteil, mit einem Autor wie Vaughan oder Way wäre das mein absolutes Traum-Projekt! Alleine Rogue, Jessica Drew und Mystique in einer Serie vereint... High Tension And Espionage... aber back to topic, wollen ja kein Spam verbreiten! HOUSE OF M entführt uns in eine Welt, von Magneto „beherrscht“, ein Paradies für Mutanten, ein Spiel auf Zeit für Menschen! Die Evolutionssanduhr wurde beschleunigt! Grant Morrison löste im X-Universum im Jahre 2001 eine der besagte Wellen aus, in dem er das Ende der Menschheit voraus sah: Mutation als die nächste Stufe der Evolution, die unausweichlich vor ihrer vollkommenen Übernahme des Planeten Erde steht! Aus der unterdrückten Minderheit wurde eine ganz andere Art der Furcht-und-Hass-auslösenden Bedrohung für den Normalsterblichen. Die ohnehin schon nicht geringe Anzahl von Mutanten, die zahlreiche X-Nebenserien bevölkerten wurden durch Zuwachsraten in neue Höhen geführt! Nie war das X-Institut voller, nie Mutanten so omnipräsent!

Und endlich laufen zwei subtile, vielleicht so nie gewollte Handlungsstränge und wellenauslösende Beweggründe zusammen, um einen Tsunami der Veränderung auszulösen! Die Neuformierung der AVENGERS & Die Überpopulation der Mutanten! Und wieder überkommt mich das Gefühl, dass aus diesen Entwicklungen HOUSE OF M wieder nichts weiter ist, als ein notwendiges Vehikel, ein Knotenpunkt in der Geschichte des Marvel-Universums, der uns weismachen möchte, er sein kompliziert, aufwendig und furchtbar schlau durchdacht platziert, im Grunde aber nichts weiter ist, als ein Abschluss einer Etappe, ein Fazit einer kleinen, feinen, vierjährigen Ära, ein Prolog zu dem wirklich relevanten Grossevent!Soviel zur Basis! Soviel zur Relevanz!

Brian Michael Bendis ist der neue Haus- und Hofschmied im Haus der Ideen! Manche mag dies stören, andere in Begeisterungsstürme versetzen. Meines Erachtens ist der Architekt hinter HOM ein großartiger Geschichtenerzähler mit einer fühlbaren Liebe für das, was er tut! Doch habe ich den Eindruck, dass selbst Bendis sich der Tatsache bewusst war, dass HOM eben noch nicht das grosse Event war/ist! Sein ruhiger, alles-ins-andere-Licht-rücken-wollende Blick für die vielen, spannenden Ecken im Marvel Universum ist hier ein wenig fehlplatziert! Für ein BLOCKBUSTER fehlt die Action! Für ein Bendis-Event fehlt der Tiefgang!
Und so bekomme ich letztlich eben das serviert, was ich eingangs erwähnt schon zu ahnen gedachte: Eine Geschichte, die kommen musste! Eine Geschichte, die zwar so nicht vorherzusehen war, aber den Nachgeschmack von „Es kam, was kommen mußte!“ auf den comictastenden Sinnen hinterlässt! Einzig die wundervoll in Szene gesetzten Zeichnungen von Coipel haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ich mag seinen Stil, seine Individualität und sein Storytelling. Und das muss man Bendis mal wieder lassen, entweder hat er eine Schreibe, die sich nahtlos perfekt an seinen Zeichner schmiegt, oder er schreibt tatsächlich so, dass er jedem Zeichner, der mit ihm kollaboriert, eine perfekte, SINNVOLLE und geschmeidig lesbare Panelabfolge und Szenerie entlockt! (Würde zu gerne wissen, ob das auch mit einem Chris Bachalo funktioniert, der bei Claremont schlichtweg überreizend wirkt!)

HOUSE OF M lockt uns mit Früchten, die wir bereits gegessen haben, aber immerhin furchtbar gerne mochten!
HOUSE OF M entlohnt uns mit einem runden Geschmack, der allerdings etwas bitter im Abgang ist!
HOUSE OF M macht Lust auf mehr, denn das spannendste an dem ganzen decompressed summer blockbuster big old fashioned nonsense sales improving megagigauebercrossover ist zweifelsohne die Tatsache, dass der wirkliche EVENT noch ansteht!
Ich gebe volle 10/10 Punkte für die Verengung des Marvel-Universums! Ich liebe einfach, wenn dieses Gefühl in mir aufkommt, mehrere Helden auf einmal serviert zu bekommen, die ansonsten wenig miteinander zu tun haben.
Ich gebe satte 5/10 Punkte für die Umsetzung, wobei die Gewichtung eindeutig auf den Zeichnungen liegt! 6 Hefte lang Einführung und 2 Hefte schnell servierte Auflösung sind nicht wirklich elegant!
Ich gebe vorsichtige 5/10 Punkte, denn bei aller Liebe für das interagierende Marvel Universum, hat der momentane Trend (in sämtlichen Serien Verknüpfungen herzustellen) die Gefahr der Übersättigung...Aber das ist laut Quesada ja die Regel, und die nächste Welle kommt bestimmt, und dann ist wieder einmal alles nie mehr, wie es war,

...UND DAS IST VERDAMMT NOCHMAL GUT SO!

6/10
Henning Mehrtens a.k.a. Legacy