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Samstag, April 01, 2006

Nobel Causes: Eine Übersicht (TPB 1-5)

LL's US TPB PREVIEW: April 2006
Written by Jae Farber, pencils by Amanda Conner, Ian Richardson, Fran Bueno (Image). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Herzlich willkommen bei den Nobles einer der reichsten und angesehensten Familien Nordamerikas. Herzlich willkommen bei dieser ungewöhnlichen Familie, deren Mitglieder (ob blutsverwandt oder angeheiratet) fast alle über unterschiedlichste Superkräfte verfügen.
Das Konzept, einer Familie mit Superkräften ist natürlich nicht neu und es verwundert den unbedarften Neuleser zunächst wenig, wenn in Rezensionen Vergleiche mit den Fantastic Four gewählt werden, um diese Comicreihe von Jay Faerber zu beschreiben. Aber schon nach den ersten Heften, merkt man, der Vergleich hinkt. Denn auch wenn die Nobles ähnlich den FF immer besonders fest zusammenhalten, wenn einer der Ihren bedroht ist, schwellen unter dieser zur Öffentlichkeit präsenten Oberfläche zahllose Konflikte und nicht selten bewegen sich die Charaktere um ihre Interessen zu wahren am Rande der Legalität oder sogar noch darüber hinaus.


Vol. 1: In Sickness and In Health (NC: First Impressions and NC #1-4)

Das erste TPB führt die Figuren ein, wobei die Welt der Nobles ein wenig unübersichtlich erscheint, denn man wird sofort mit etwa zehn Haupt- und noch ein paar Nebencharakteren konfrontiert, deren Beziehungen untereinander erst einmal klar werden müssen. Die Geschichte selbst klingt zunächst recht banal: Normalsterbliche (Liz Donnelly) heiratet den jüngsten Sohn der Noble Familie (Race Noble) und landet damit relativ unvorbereitet im Alltag der Superhelden. Aber spätestens nach dem zweiten Kapitel des Trades, wird klar, dass von banal keine Rede mehr sein kann: Einer der scheinbar wichtigsten Protagonisten der Serie, segnet schon jetzt das Zeitliche. Die weiteren Hefte enthüllen das von Familienpatriarchin Gaia gehegte und gepflegte öffentliche Erscheinungsbild der Familie mehr und mehr als eine Farce. Im Verlauf der Mördersuche entladen sich alte Konflikte zwischen den Familienmitgliedern und neue treten auf. Der schon öfter in anderen Rezensionen zu Noble Causes bemühte Vergleich zur Fernsehserie Dallas und der Ewing-Familie, drängt sich auch mir auf. Am Ende der fortlaufenden Handlung im Trade hat Faerber jedenfalls ein Potential an Spannungen und Konflikten aufgebaut, dass für vierzig und mehr weitere Hefte reichen sollte. Zusätzlich finden sich in dem Trade noch mehrere Kurzgeschichten, welche die Vergangenheit der Nobles beleuchten, die Bedeutung einiger Ereignisse in der Hauptserie stärker hervorheben und den Charakteren noch weitere Facetten verleihen. Das Artwork, für das inklusive der Kurzgeschichten knapp 15 Zeichner, Coloristen und Inker zuständig waren, wirkt manchmal nicht ganz ausgereift ist aber angenehm abwechslungsreich. Erfreulicherweise gibt es keine groben Ausreißer, die dem Gesamteindruck schaden würden. Ein gelungener Einstand, dem noch zwei Miniserien folgen sollten, ehe eine Ongoing daraus wurde.

8/10

Vol. 2: Family Secrets (NC: Family Secrets #1-4)

Nicht genug, dass die Familie Noble den Tod eines Mitglieds zu verkraften hat: Die jüngste Tochter Zephyr ist schwanger und alles dreht sich um die Frage, wer der Vater ist, während Liz Donnelly völlig ohne Superkräfte ihren Platz in dieser Familie behaupten muss. Und dann ist da noch der uneheliche Sohn Gaias, Frost, aus dessen Gesinnung man nicht so recht schlau wird und der gerne den Namen seines Vaters wissen würde. Ein einziges Mal in vier Heften prügelt sich einer der Nobles mit Verbrechern, ansonsten wird man als Leser tiefer in die Verstrickungen der Nobles hineingezogen und wenn einmal die Fäuste sprechen, dann innerhalb der Familie. Faerber nutzt Actionsequenzen eher als Beilage – scheinbar ein kleines Zugeständnis an die Fanboys – und verwendet die Seiten lieber um einen tiefen Einblick in seine Charaktere zu erlauben. Und wenn am Ende mal wieder ein paar Geheimnisse gelüftet sind und ein paar Masken fallen (Wer ist der skrupelloseste Noble?) ist man noch stärker dem Nobles-Fieber verfallen und hofft auf die nächste Mini, die hoffentlich eine Aufklärung der gerade betrachteten Cliffhanger bringen wird. Der neue „reguläre Zeichner“ bei der Mini Ian Richardson macht seine Arbeit gut, insbesondere die Gesichtsausdrücke wissen besser zu überzeugen als in der ersten Mini, aber das Ganze hat immer noch einen gewissen unreifen Touch, was bei einer neuen Serie von relativ unbekannten Künstlern ja nicht unbedingt ein Makel sein muss. Auch hier finden sich am Ende der Hauptstory wieder mehrere Kurzgeschichten, die Einblicke in die Vergangenheit der Nobles geben. Hier sei nur lobend die Story über die Kindheit des „Schwarzen Schafs“ Frost Noble näher erwähnt, die mit ihrem zeichnerisch ein wenig aus dem Rahmen fallenden, aber zur Thematik sehr passenden Artwork und einer herzzerreißenden Geschichte Verständnis für diesen vorher einfach nur zwielichtigen Charakter schafft. Gelungen!

9/10

Vol. 3: Distant Relatives (NC: Distant Relatives #1-4)

Der dritte Band von Noble Causes war offensichtlich eine Art letzter Versuch. Hier sollte sich laut Autor Faerber entscheiden, ob die Reihe weitergeführt wird oder ob sie eingestellt wird. Ungewöhnlicherweise ist diese Mini zunächst in Einzelheften als Schwarz/Weiß-Comic erschienen und im TPB nachträglich koloriert worden.

Nachdem die Nobles-Familie eigentlich schon groß genug ist, um eine Serie alleine zu füllen, treffen wir hier auch noch in einer Paralellwelt ihre dort weitaus weniger beliebten Gegenstücke. Auf der einen Seite nutzt Faerber diese Mini um offene Handlungsstränge zu beenden, auf der anderen Seite lässt er immer noch genügend Raum um gegebenenfalls eine Fortsetzung zu ermöglichen. So tritt eine neue Figur, eine weitere Superheldin, in das ohnehin schon konfliktreiche Leben des älteren Noble-Sohns Rusty und sorgt dort für neues Spannungspotenzial mit dessen Ehefrau Celeste. Und Krennick, ein guter Freund der Familie, der fast schon zu dieser gehört, sieht sich mit den Herausforderungen eines schweren Erbes ebenso konfrontiert wie mit den Folgen einer nicht erwiderten amourösen Obsession. Auf der anderen Seite findet Frost seinen Vater und plötzlich scheint auch die Möglichkeit zu bestehen, dass der im ersten TPB verstorbene Protagonist wenn auch charakterlich völlig verändert wiederkehrt. Der Schluss ist überraschend und in meinen Augen unpassend. Als Ende der Gesamtserie hätte er trotzdem funktionieren können, als Schritt in Richtung Ongoing war er in jedem Fall ein Fehler. Nichtsdestotrotz ist auch dieses Trade sehr lesenswert, setzt seinen Fokus erneut bei den Charakteren und belässt die Action im Hintergrund. Und auch das steht auf der Plusseite: Am Ende werden wir wieder auf angenehme Art und Weise, nämlich mit vier kurzen Geschichten aus der Vergangenheit, mit weiter reichenden Infos über die Helden versorgt.

7/10

Vol. 4: Blood & Water (NC (ongoing)#1-6)

Nun hat es doch geklappt und Noble Causes ist als Ongoing erneut gestartet worden. Für mich etwas überraschend nach dem in meinen Augen schwachen Schluss der letzten Mini. Und unbefriedigend, weil dieser Schluss, letzten Endes doch ein großes Potential für weitere Verwicklungen und gestörte Beziehungen geboten hätte, diese ganzen Möglichkeiten aber von Jay Faerber nicht ausgenutzt wurden. In „Blood & Water“ wird die Geschichte der Nobles weiter gesponnen, als wären zahlreiche Dinge nie passiert und darauf muss man sich zunächst einmal einlassen. Hat man diese Hürede aber überwunden, macht auch die Nachfolgeserie Spaß, denn Faerber bleibt seinem sonstigen Erfolgskonzept größtenteils treu und stellt Charaktere immer noch vor Action (von der es allerdings deutlich mehr gibt). Wie in der ersten Mini, ist es ein Mord, der die Stroy einleitet und uns wieder in die Gefilde der Nobles bringt. Dieses Mal ist es der Freund der Familie, Krennick, dem der Mord zu Lasten gelegt wird. Wer ein wenig aufpasst hat den wahren Täter zwar schnell entlarvt, aber die zahlreichen Nebenhandlungen mit einem plötzlich völlig veränderten Familienoberhaupt „Doc Noble“ und einer Rettungsmission zu einem fremden Planeten, auf die sich drei Familienmitglieder begeben, lassen diesen kleinen Faux-pas in der Haupthandlung schnell vergessen. Etwas ärmlich kommt leider das Artwork daher, das eigentlich in allen vorherigen Ausgaben besser zu überzeugen wusste. Die Gesichter wirken häufig leblos und Lippenpartien sind nicht im geringsten Fran Buenos Stärke. Da im Gegensatz zu den vorherigen Minis keine Flashback-Kurzgeschichten am Ende folgen, fehlt auch diese Vielfalt ein wenig, aber offensichtlich kann sich der willige Fan bei den beiden als Specials erschienenen Kurzgeschichtensammlungen „Extended Family“ austoben von denen ich aber nur den ersten Band kenne und allen Lesern wärmstens ans Herz legen kann.
Insgesamt kein herausragender aber ein guter Start, der durchdachte, charakterzentrierte Superheldenkost serviert aber an der Missachtung der vorherigen Continuity und den eher mittelmäßigen Zeichnungen krankt.

6.5/10

Vol. 5: Betrayals (NC (ongoing)#7-12, plus The Pact #2)

Hat man die Mängel des ersten Storyarcs erst einmal überwunden, kommt man in den Folgeheften ein wenig mehr auf seine Kosten. Das erste Kapitel des Trades war in der Ongoing eine Stand-Alone-Nummer, deren handelnde Personen ich hier nicht benennen möchte um an anderer Stelle in den Noble Causes Mini-Serien nicht die Spannung/Überraschung zu nehmen. Sehr gerne denke ich hier an Spider-Man Hefte zurück in denen eine ähnliche Problematik gewälzt wurde und die fast immer unbefriedigend endeten. Faerber zeigt, wie es auch mal anders sein könnte und dank Gastkünstler Bridwell weiß dieses Kapitel auch auf Seiten des Artworks gut zu überzeugen. Bei den restlichen Kapiteln handelt es sich um die konsequente Fortsetzung der Nebenhandlungsstränge aus dem voraus gehenden Trade. Die Handlung und Charakterentwicklung wissen auch hier zu überzeugen, stellenweise fließt etwas mehr Humor in die Dialoge ein, was dem Gesamtwerk gut tut und der Abschluss des Trades bietet erneut vielzählige Möglichkeiten. Ein Malus bleibt leider auch hier das Artwork, das zwar nicht wirklich abschreckt, aber auch keinen wirklichen Kaufgrund liefert.

8/10

Ausblick und Fazit

Die nach diesem Trade schon erschienenen Issues lassen eine etwas veränderte Richtung erkennen. Mit einer weiteren Familie, den Blackthornes, um bei dem Dallas/Ewings-Vergleich zu bleibenden die „Barnes“ des Nobel-Universums, wird die Anzahl der Protagonisten auf einen Schlag fast verdoppelt. Aber auch bei den Blackthornes verzichtet Faerber auf schlichte Schwarz-Weiß-Malerei und verleiht jeder Figur unterschiedliche Facetten, die besondere Charaktere ausmachen. Familiäre Bindungen und Verpflichtungen kollidieren beständig mit dem eigenen Gewissen und machen auch weiterhin den besonderen Reiz der Reihe aus. Der Soap-Faktor wird allerdings extrem nach oben geschraubt und wer schon bei Star Wars Probleme hatte zu verdauen, dass Leia Lukes Schwester ist, sei vor den neuen Verwicklungen in Noble Causes gewarnt. Auch der Mature-Reader-Faktor geht nach oben, was zum einen relativ viel nackte Haut und eine Menge Bettszenen zur Folge hat (ohne dabei in billige oder pornografische Gefilde abzugleiten), auf der anderen Seite allerdings verdeutlicht, dass dieses Comic nun mal weniger für den Actionfans gedacht ist. Zu bemerken ist noch, dass die Zeichnungen von Bueno (auch dank einer etwas zurückhaltenderen Kolorierung), langsam besser zu gefallen wissen und durch Gastkünstler E. Nelson Bridwell, der regelmäßig Flashbacks in die Story integriert, aufgelockert werden.

Insgesamt vermag Noble Causes zu begeistern, so lange man bereit ist, sich auf den hohen Soap-Faktor und die dahinter oft zurückstehende Action einzulassen. Dann bekommt man ein ungewöhnliches und durchdachtes Konzept geliefert und Charaktere mit Ecken und Kanten, die glaubhaft agieren, reagieren und ganz nebenbei auch noch Superhelden sind. Noble Causes bietet eine sehr gute Möglichkeit, jetzt noch in eine meistens gelungene Superhelden-Teamserie einzusteigen, ohne jahrzehntelangen Ballast an Continuity mit sich zu schleppen und ist deshalb auch für Neuleser sehr interessant. Als einziger sich auf Dauer vermutlich negativ auswirkender Hemmschuh fällt mir im Moment nur das Artwork ein, das allerhöchstens durchschnittlich ist. Mit einem besseren oder auch ungewöhnlicheren Künstler am Bleistift, könnte Noble Causes meines Erachtens eine weitaus größere Leserschaft begeistern. Trotzdem, sollte jeder, dem die X-Teams und die FF inzwischen über den Kopf wachsen, der die JLA, JSA und die Avengers nicht mehr sehen kann, der Serie eine Chance geben. Hier sitzt ein frisches Team (sowohl von der Künstlerseite als auch von den Charakteren) immer noch in den Startlöchern und kann mit ungewöhnlichen Ansätzen begeistern.

INSGESAMT: 8/10
LL a.k.a. Robert Löhr