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Sonntag, Juni 18, 2006

Thor: Blood Oath TPB

LL's US TPB PREVIEW: Juni 2006

Written by Michael Avon Oeming, pencils by Scott Kolins (Marvel). Deutsch: Keine Veröffentlichung.





























Wie kaum ein anderer Autor ist Michael Avon Oeming zurzeit auf mythische Helden abonniert. Nachdem er dem alten Thor-Charakter im Rahmen des Disassembled-Crossovers den endgültigen, aber grandios erzählten Todesstoß versetzt hatte, schrieb er eine Mini um Beta Ray Bill (nicht ganz so mythisch, aber immerhin auch ein Charakter der den Seiten der alten Thor-Reihe entsprang), startete mit einer neuen Red Sonja-Ongoing bei Dynamite durch und bearbeitet mit der momentanen Ares-Mini einen Charakter, der in der Pole-Position für eine triumphale Rückkehr ins Marvel Universum steht. Zwischendurch entstand auch noch diese kleine Perle, die ich heute vorstellen darf: Thor: Blood Oath. Eine 6-teilige Mini aus der Zeit, als Thor noch mit dem Charakter Donald Blake identisch war.

Oeming leitet seine Story ein, wie eine x-beliebige Superheldenstory mit einem Kampf Thors gegen den Absorbing Man und versorgt den Leser im Anschluss mit ein wenig mythisch-wissenschaftlicher Pseudophilosophie aus Jane Fosters Mund, die uns die folgenden Kapitel immer mal wieder begegnen (nerven?) wird. Und damit ist auch schon alles Negative über diese Mini gesagt. Denn abgesehen von diesem Epilog, der immer mal wieder kurze Erwähnung finden wird, beginnt nun die eigentliche Story und dabei handelt es sich um eine klassische, epische Göttergeschichte, die in bester Tradition an die Taten des Herkules, die Abenteuer Sindbads und die Lügen eines gewissen Barons von Münchhausen anknüpft:

Thors Freunde, die Warriors Three, haben versehentlich in einer Zeit des Friedens den Sohn eines Riesen getötet und dieser, obwohl nicht im Geringsten erschüttert, weil sein Sohn ohnehin ein Nichtsnutz war, verlangt Gerechtigkeit im Althing, einer Versammlung der Asen und anderer nordischer Mythenwesen. Um den Frieden zu wahren und dem Recht genüge zu tun, werden die Warriors Three auf eine Mission geschickt, die nur Götter bewältigen können. In typischer Sagenmanier müssen sie verschiedene Aufgaben bewältigen und diverse magische oder mythische Gegenstände besorgen, wobei jede einzelne Aufgabe eigentlich nicht zu bewältigen scheint. Thor verknüpft vor dem Althing sein eigenes Schicksal mit dem seiner Brüder und begleitet diese unter der Auflage, dass er seinen Hammer während der ganzen Mission nicht zum Kampf benutzen darf.

Nun folgt eine Reise durch die nordische, griechische, keltische und ägyptische Götter- und Sagenwelt mit einem Kurzaufenthalt in Japan und auch wenn das Ende der Geschichte vorhersehbar ist, macht sie größten Spaß. Das liegt untere anderem daran, dass Oeming seine Charaktere zwar mit allem gebührenden Respekt behandelt, aber die Story nicht absolut bierernst nimmt und zahlreiche Episoden mit mehr als nur augenzwinkerndem Humor einbaut. Glücklicherweise verzichtet er auch größtenteils auf die gestelzte Sprache, die Thor in seiner eigenen Ongoing für manchen Leser unverdaulich machte und nicht selten den Grund für Karikaturen lieferte. Menschlich wirken diese Marvel-Götter und Helden und kommen damit Ihren nordischen Vorbildern näher, als ich das von bisherigen Thor-Abenteuern kenne. Auch andere Aspekte der nordischen Mythologie lässt Oeming immer wieder einfließen und belegt damit, dass er den Hintergrund der Geschichte, die er erzählt gut kennt und zu würdigen weiß. Das erstaunliche ist, dass ich bei den unterschiedlichen Arbeiten von Oeming das Gefühl habe, zwar jedesmal einen guten, aber auch immer einen anderen Autor zu lesen. Oeming wiederholt sich nicht und hat immer wieder neue Ideen. Dass er dieses Mal dafür im Fundus alter Sagen kramt, kann ich ihm nicht vorwerfen, denn die Umsetzung ist einfach gelungen.

Auch Scott Kolins erweist sich als Glücksgriff für die Mini. Seine Zeichnungen sind detailliert aber nicht zu komplex und fern jeder futuristischen Technisierung, die Asgard unter Kirby zwar fremdartig erschienen lies, aber vom Fantasy-Bereich eher in die Science Fiction verlegte. Noch dazu bringt er es fertig jedem seiner Charaktere die unterschiedlichsten Gesichtsausdrücke von Wut bis zu drolliger Verzweiflung abzuringen, ohne dass die Identität der einzelnen Personen verloren geht. Seine Landschaften und Hintergründe sind fantastisch anzuschauen, die Actionszenen stimmig und dynamisch. Die Colorierung vollendet den mythischen Gesamteindruck einer rundum gelungenen und unterhaltenden Sage, von deren Art ich gerne öfters eine lesen würde.

9/10
Robert Löhr a.k.a. LL