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Sonntag, Oktober 01, 2006

Friendly Neighborhood Spider-Man: Derailed TPB 1

LL's US TPB PREVIEW: SEPTEMBER 2006

Written by Peter David, pencils by Mike Wieringo and Roger Cruz (Marvel). Deutsch: "Im Netz von Spider-Man #4-5" (PaniniComics Deutschland).

Peter A. David hat sein Pulver verschossen. Obwohl er in Eigenregie derzeit eine innovative Serie wie „Fallen Angel“ produziert, kann man ihn an den Marvel-Serien, die er früher mal mit großer Klasse geschrieben hat, inzwischen nur noch als Fehlbesetzung einstufen. Sein heiß erwarteter neuer „Incredible Hulk“-Run konnte den Grünen Goliath nicht aus dem Mittelmaß herausbefördern. Bei „Friendly Neighborhood Spider-Man“ hat er nicht nur mit seiner eigenen Leistung zu kämpfen sondern auch noch mit einem marketingtechnisch wenig durchdachten Start der Serie als Teil eines Crossovers. Doch „The Other“ ist vorüber und stellenweise haben die Hefte bis dahin den Anschein erweckt, dass PAD mit der neuen Serie intelligenten, humorigen aber eher konservativen Stoff („Old-School“) liefern würde, wenn die Bürde dieser aufgeblähten Story erst einmal abgeschüttelt wurde.

Aber was folgt auf The Other? Ein One-Shot über eine psychisch kranke Frau, die sich seit ihren Highschool-Tagen von Spider-Man verfolgt fühlt und das mit einem fragwürdigen und ungeschickten Finale. Eine Story, die man vielleicht in „Spider-Man Unlimited“ oder „Tangled Web“ erwartet hätte, dort vielleicht sogar zu den besseren Machwerken gezählt hätte. Aber in einer gerade gestarteten Ongoing? Vielleicht wollte PAD Distanz zu „The Other“ schaffen, aber guter Wille macht noch kein gutes Comic.

In den Folgeheften blitzen dann zumindest mal gute Ideen auf. PAD wagt sich an etwas, was andere Autoren gerne missachten, nämlich Continuity. Erinnert sich noch jemand an die ersten zwölf, von Mark Millar geschriebenen Hefte der „Marvel Knights Spider-Man“-Serie? Peter Parker führte J.J. Jameson dort auf eine falsche Fährte bezüglich der Identität von Spider-Man. John Jameson, J.J.J.s Sohn auch bekannt als Man-Wolf sollte demnach unter der Maske des Wandkrabblers stecken. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, dass diese Lüge auffliegen würde und PAD startet genau an dieser Stelle seine Geschichte um den geheimnisvollen Wrestler „El Muerte“, der Spidey zu einem Kampf herausfordert. Eine durchschnittlich gute Story gewürzt mit etwas häufig vermisstem, nämlich Subplots und Supporting Cast. Leider ist diese Stärke der Story auch gleichzeitig ihre Schwäche, denn die in The Other schon angekündigt Rückkehr eines unter Teilamnesie leidenden Flash Thompson, der Peter das Leben schwer macht hat Byrne/Mackiesche Qualitäten. Dass ausgerechnet PAD dann auch noch seinen Figuren Fanargumente für und gegen den JMSschen Mystic-Mumbo-Jumbo wälzen lässt hinterlässt zusätzlich einen faden Nachgeschmack. Versöhnlich stimmt dass Spidey am Ende dank der Wissenschaft gegen die Magie punktet. Gerade an dieser Stelle zeigt PAD, wie gut er die Figur eigentlich kennt und holte sie aus der Sackgasse heraus, in die sie im Moment zu stecken scheint, missachtet das superduper-neue Kostüm mit seinen teils lächerlichen Gadgets und gibt Spidey wieder Boden unter den Füßen. Ein Hoffnungsschimmer für das was folgen soll? Der Hammer-Cliffhanger der diesen Wrestle-Zweiteiler abschließt lässt den Leser sprachlos, erwartungsvoll aber auch zweifelnd zurück. PAD lädt sich hier als Autor eine schwere Bürde auf. Ob er diese tragen kann, ohne dass auch die letzten der von JMS schon stark angesägten Wurzeln des Spider-Man Mythos reissen?

So atemlos der Cliffhanger machte, so wenig inspiriert ist der folgende Dreiteiler. Während wir zunächst in eine vielversprechende Parallelwelt hineinblicken, die ein wenig an „House of M – Spider-Man“ erinnert und in der PAD logisch Peters Werdegang nach dem Spinnenbiss unter völlig anderen Prämissen zeigt, gerät der Plot danach in ein fürchterliches Wirrwarr. Die gerade erwähnte Bodenständigkeit entgleitet dem netzschwingenden Helden dabei leider vollständig. Zeitreise und Paralleldimensionen werden bunt gemischt. David bringt zwei von ihm erschaffene Charaktere wieder ins Spiel und schafft ein Paradoxon nach dem anderen, dass selbst der wohlwollendste aller Leser schwer daran schlucken muss. Und leider hat die Geschichte auch noch ein Ende, das noch schwerer zu verdauen und teilweise unverständlich ist. Als langjähriger Spider-Man-Fan ist man hin- und hergerissen, ob man die Fortsetzung (sollte es jemals dazu kommen) und Auflösung lesen will oder ob man darauf hoffen soll, dass dieser Plot bei einem erneuten Autorenwechsel irgendwo im Nirwana verschwindet und eines Tages ebenso als What if... abgehandelt wird, wie Chapter One. Vor kurzem wurde PAD vorgeworfen, er hätte den Bruce Jones-Run beim Incredible Hulk dadurch ruiniert, dass er alles zu einem Traum erklärt hat. Jetzt wäre eine passende Gelegenheit, das Gleiche mit „Friendly Neighborhood“ zu machen. Das wäre zwar ebenfalls unbefriedigend, aber die erste Option (Fortsetzung und Auflösung) kann mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Fiasko münden, durch welches das von mir vor wenigen Wochen noch verrissene Crossover „The Other“ und JMS’ Magic-Trip plötzlich in einem strahlenden Licht erscheinen könnten.

Ich hätte nie gedacht, dass dies mein Resümee aus einem dreiviertel Jahr PAD an einer Spider-Man-Serie sein würde, aber die Tatsachen sprechen für sich: Wenn jemand die von PAD geöffnete Tür, diese Büchse der Pandora, wieder schließen kann, ohne den dazugehörigen Charakter für immer zu entwürdigen, wenn jemand in der Lage ist, eine einigermaßen annehmbare und abschließende Fortsetzung zu schreiben, dann ist es vermutlich JMS.

4/10
LL a.k.a. Robert Löhr