Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Sonntag, November 26, 2006

Jonas Valentin

Ein offenes Auge und ein wacher Geist

2004 lernte ich Jonas Valentin kennen. Jonas war ein junger Student, geplagt von den üblichen Sorgen, wie bevorstehenden Klausuren, Hausarbeiten, die man zu lange vor sich hergeschoben hatte, Geld- und natürlich Frauennöten.

Aber dies Alles war nicht das Interessante an dem schlaksigen Brillenträger mit dem roten Wuschelkopf. Eher war es seine Sicht... oder besser intuitive Einsicht in die Welt, die uns umgibt.

Jonas lebt alltäglich sein ganz normales Leben, in seinem kleinen Appartement, zusammen mit seiner Katze „Katze“. Doch manchmal schleicht sich das Außergewöhnliche in sein Leben.

Dabei sind es oft ganz banale Dinge, die anderen Menschen eigentlich gar keine Gedanken machen, die zu faszinierenden Geschichten führen. Geschichten, die mich seitdem nicht mehr loslassen und mich immer wieder dazu bringen, mir etwas mehr Gedanken über scheinbar Banales zu machen.

Jonas Valentin wurde bereits Ende der Achtziger zum erstenmal in Deutschland veröffentlicht, aber fast zwei Jahrzehnte später fand ich durch die Neuveröffentlichung von Carlsen erst zu dieser außergewöhnlichen Serie.

Erdacht und geschaffen wurde sie von dem belgischen Szenaristen Michel de Bom (kurz Bom) und dem ebenfalls belgischen Zeichner Frank Pé (kurz Frank).

Unter dem Titel Brousaille erschien die Serie 1985 zuerst im Spirou-Magazin.
1990 wurde das 3. Album der Reihe mit dem Publikumspreis von Anguolême geehrt.
Doch all das wusste ich nicht, als ich das erste Album Der Traum des Wals aufschlug.

Boms hinreissende Geschichte und die faszinierenden Charaktere zogen mich nicht, wie es so oft klischeehaft heißt, sofort in ihren Bann. Erst im Zusammenspiel mit Franks graphischer Vision eines Realität gewordenen Traums, machte mich dieses erste Album zum treuen Fan der Serie.

Franks Funnystil, der sich durch liebevolles Charakterdesign und eine unheimliche Detailfülle auszeichnet, erscheint zuerst lediglich gut und angenehm für das Auge, um sich dann festzusetzen und dauerhaft zu begeistern, wie ein exzellenter Song, der sich erst durch die Ohren arbeiten muß, um dann im Geiste sein volles Potential zu entfalten.

Boms Erzählung, und die gefühlvollen Dialoge, vollenden das Werk, und geben ihm Struktur und Bedeutung. Die Aussagen regen zum Nachdenken an, während die Geschichten immer fesselnd bleiben.

Jedes Album behandelt einen bestimmten Aspekt, Träume, Fortschritt und Wissenschaft, das Leben und Sterben in einer Stadt, fremde Kulturen und Familie, sowie Natur. Natürlich sind dies nur Grundthemen, die durch Boms Szenarien mit Leben gefüllt werden. Jedenfalls bis zum vierten Band der Serie.

Ein paar kurze Worte zu den einzelnen Bänden:

In Der Traum des Wals betreten wir Jonas´ Welt, das normale Leben eines Studenten. Ebenso unvorbereitet wie er, werden wir mit dem Einfluss der Träume eines anderen konfrontiert und mit den daraus resultierenden Wirkungen. Bom spinnt in diesem ersten Band sein mystischstes Garn, gekrönt von einem lange vergessenen Geheimnisses und der Last vergessen zu werden.

Im zweiten Band, Die Hüter des Lichts, nimmt Jonas sich eine Auszeit vom Stadtleben und flieht zu einem Teil seiner Familie aufs Land. Mit offenem Geist erfährt er die, ihn umgebende, Natur und entdeckt unerwartet verlorenes Wissen wieder. Aber der unbarmherzige Fortschritt unserer modernen Zivilisation macht vor den Errungenschaften alter Zeiten keinen Halt.

In Die Nacht der Katze nimmt uns Jonas auf der Suche nach „Katze“ mit auf den Spaziergang eines Streuners durch die nächtliche Stadt. Im Dunkeln nimmt man vieles anders wahr und entdeckt so manche Überraschung. Jonas wird mit Leben, Liebe und Tod konfrontiert.

Unter zwei Sonnen, nämlich denen von Afrika und Japan, spielt der letzten Band des Teams Bom/Frank. Jonas reist mit seiner Freundin nach Japan, und verliert sich dort, recht wörtlich, in der fremden Kultur. Die Reise nach Afrika vereinigt Jonas mit einem Teil weiteren seiner Familie, und er erfährt die Großartigkeit Afrikas in vollen Zügen. Doch auch hier lauert etwas unter der Hülle des ungetrübten Abenteuers. Der Tod ist nah, aber auch die Ausgeglichenheit des Lebens. Die Szene mit dem Krokodil lässt nicht mehr los!

Bom verließ nach dem vierten Band die Serie. Dies merkt man vor allem daran, dass der fünfte Band poetischer und meditativer ist. Boms Szenarien gaben Frank zuvor einen Handlungsrahmen in dem er sich ausleben konnte. Im fünften Band sprengt er die Fesseln einer komplexen Handlung, um graphisch aufzuleben.
Dieser Band scheint am Leser vorbei zu schweben und lässt uns viel zum Nachdenken. Wie ein Hinweis auf etwas, dass man täglich sieht, aber selten wirklich wahrnimmt, rüttelt er den Leser auf, seine Sinne und sein Bewusstsein der Natur in größerem Maße zu öffnen.

Dennoch, man vermisst Boms Tiefe, das Gewürz, welches dem Gericht noch das besondere Aroma gibt.

Zu sagen bleibt ist das man Jonas Valentin als Anhänger der neunten Kunst erfahren haben sollte. Zudem eignen sich die Bände exzellent für den Einstieg in das Medium Comic, da sie viele der wichtigsten und anregendsten Aspekte des Mediums auf exzellente Weise widerspiegeln.

Lernt Jonas kennen und ihr habt immer einen guten Freund, der euch manchmal verstohlen auf die Schulter tippt und Euer Auge auf etwas lenkt, was Euch sonst sicher in unserer hektischen Zeit entgangen wäre.



Special Thanks

Ich möchte an dieser Stelle Philos und Lamond für Ihre Einladung danken. Ich fühle mich geehrt, nun auch einer der Herausgeber dieses Comic-Blog zu sein und hoffe, dass meine zukünftigen Einträge hier vielleicht einigen Leser eine andere, eventuell bisher unbekannte Ecke der Comic-Welt zugänglich und schmackhaft machen.



R.I.P.

Außerdem möchte ich hier das Ende zweier besonderer Serien betrauern. SHAMO und Usagi Yojimbo. Beide wurden wegen schlechter Verkaufszahlen eingestellt. SHAMO trat mit einer offenen Erklärung seitens Ehapas ab, die nur wenig verschlüsselte, dass eine Weiterführung wirtschaftlich nicht lohnenswert ist, während Usagi heimlich und leise im Laufe dieses Jahres entschlief.

Beide Serien habe ich oft und vehement empfohlen, doch leider konnte ich tatsächlich keinen einzigen Leser in meinem Bekanntenkreis für diese Serien begeistern. Ob meine ungehemmte Werbung hier im Blog und im Panini-Forum mehr Früchte trug, weiß ich zwar nicht... bezweifle es aber bedauernd.

Farewell, my friends… Ich hoffe wir sehen uns wieder.

Seppstock