Ex Machina: The First Hundred Days TPB 1 (Philos)
Slugfest Sunday - Lamonds und Philos Sicht auf denselben Comic!
Written by Brian K. Vaughan, pencils by Tony Harris and inks by Tom Feister (Wildstorm/DC).
Ex Machina beginnt in Flashbacks, macht Zeitsprünge nach vorne und zurück. Genuin nutzt Brian K. Vaughan diese erzählerische Technik. Die Übergänge sind weich und fließend, niemals verwirrend oder unangebracht. Wir lernen Mitchell Hundred kennen. Ein früherer Bauingenieur, der zum Superhelden "Great Machine" wurde und nun das Amt des Bürgermeisters von New York City bekleidet. Doch der Aufstieg des Sohnes einer liberalen, politisch aktiven Mutter zu diesem politischen Mandat geschah nicht ohne Umwege. Als unachtsamer Retter machte die "Great Machine" ebenso viel kaputt, wie sie Gutes zu tun versuchte. Hundreds Edelmut und sein Humanismus zwangen ihn dazu, sein Jet-Pack abzulegen und eine politische Karriere zu starten, um seinen Zielen näher zu kommen.
Unser Held besitzt die Fähigkeit zu allem Mechanischem zu "sprechen". Auf mysteriöse Weise kam er zu dieser Kraft, als er an der Brooklyn Bridge im Hudson River in Kontakt zu einem außerirdischen Artefakt trat. Diese Superkraft funktioniert beispielshaft sowohl bei der komplexen städtischen Stromversorgung als auch bei einem Vorhängeschloss oder einer Pistole. In diesem Zusammenhang erschafft Vaughan ein weiteres Rätsel. Die National Security Agency führt den ein oder anderen humorlosen Dialog mit dem neuen Bürgermeister und nötigt ihn gegenüber Dritten über seine Fähigkeiten zu schweigen.
Diese Geschichte gewinnt auf so vielen Ebenen: als Charakter- und Sozialstudie, als Mystery-Thriller, als politisches Drama, als Satire. Wir erfahren von den Holprigkeiten eines Politikerlebens unserer Gegenwart, von einem versagenden früheren Superhelden, einem unbeugsamen Idealisten. Mit seinem spitzbübischen Charme und seinen flotten Sprüchen erinnert Mitch Hundred an Yorick Brown (Y the last man).
New York City - Schauplatz vieler Superheldencomics - wird realistischer als jemals zuvor geschildert. Beschränkt sich die Bedeutung der Stadt in der Regel auf ihre Skyline, taucht die vorliegende Geschichte in Big Apples Abgründe. Vaughan verändert die Stadt, als er seinen Helden, ein letztes Mal verkleidet als "Great Machine", United Airlines Flug 175, die gekaperte Boeing 767 abfängt, die verantwortlich war für die Zerstörung des Südturms des World Trade Centers am 11. September 2001. Wer als Autor mit einem so jungen Trauma der westlichen Welt hantiert, muss besonders vorsichtig sein, will er sich nicht die Finger verbrennen.
Vaughans Kenntnisse über die Stadt reichen von dem populären New Yorker Bürgermeister Fiorello H. LaGuardia, der 1945 den Einwohnern Comics am Radio vorlas, über Sätze wie “Who the fuck calls it the BMA?” (gemeint ist das Brooklyn Museum) bis hin zu der geistreichen Replik auf die Provokation der hartnäckigen Village Voice Journalistin Suzanne Padilla “I see why my paper didn’t endorse you”, “I see why your paper is free”. Mit diesen und weiteren Details wird ein erzählerischer Boden für eine, mehrjährig Früchte werfende, fiktionale Welt geschaffen.
Etwas zum Hauptplot in dieser ersten Sammlung: Die Geschichte spielt in einem harten New Yorker Winter, als ein mysteriöser bewaffneter Mann Schneeflugführer tötet. Nebenstrang bildet ein öffentlich kontrovers diskutiertes, (leider) städtisch finanziertes Werk einer jungen Star-Künstlerin. Obwohl die Auflösung des Kunstplots zu deutlich vorbereitet wird und letztlich voraussehbar ist, verblüfft im Mord-Plot die Identität des Attentäters. Die Ablenkungsmanöver von Vaughan sind brillant und ermöglichen ausschweifende Charakterisierungen, vor allem im Verhältnis des Bürgermeisters zu seinen besten Freunden Kremlin und dem Polizeibeamten Bradbury.
Tony Harris hat seine Kunst gegenüber Starman noch mal gesteigert. Die Hintergründe sind oftmals photorealistisch, die Charaktere meisterhaft gerendert. Selbst die Action-Sequenzen verlaufen flüssig. Das gestochen scharfe Inking von Tom Feister trägt sehr zum Gesamtbild bei. Mettlers Kolorierung ist ungewohnt pfahl und blass, was eine sehr stimmungsvolle Lichtdurchlässigkeit erzeugt.
Ex Machina ist ein erwachsener Comic, der in einer erwachsenen Welt spielt. Wer den trivialen Eskapismus anderer Superheldenliteratur sucht, wird hier enttäuscht. Vaughans Werk dient ihm zugleich als Organ, um seine eigene Sicht der Dinge zu politischen Themen auszubreiten. Wenn dabei die Geschichten so ausgewogen und unterhaltsam sind wie die aktuelle, steht einer erfolgreichen Zukunft dieses Titels nichts im Wege.
9/10
Review zu Ex Machina: The First Hundred Days TPB 1 von Lamond unter http://supercomics.blogspot.com/2005/05/ex-machina-first-hundred-days-tpb-1_08.html.
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