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Sonntag, August 28, 2005

Gotham Central: Half a Life TPB 2

Written by Greg Rucka, pencils by Michael Lark (DC Comics). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Ich war vom ersten Gotham Central Band nicht sonderlich begeistert. Doch aufgrund der hervorragenden Reviews und der aufrichtigen Empfehlungen anderer Leser gab ich der Serie noch eine Chance. Vielleicht hat mich aber auch die Tatsache überzeugt, dass dieser zweite Storyarc mit einem Eisner-Award ausgezeichnet wurde.

Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht die Detective Renee Montoya, eine Latina mittleren Alters, die im GCPD aufgrund ihrer harten Arbeit als Musterpolizistin gilt. Doch wir wissen alle, dass solche „Vorbilder“ unter Kollegen nicht sonderlich beliebt sind, denn sie zeigen einem die eigenen Schwächen auf und provozieren damit Neid und Missgunst. Renee steckt jedoch die täglichen Sticheleien gut weg, denn sie ist hart im Nehmen und ausserordentlich schlagfertig. Doch plötzlich beginnt einiges schief zu gehen im Leben der jungen Frau:

Marty Lipari, ein Vergewaltiger, der bei seiner Verhaftung versuchte Renee niederzustechen und der später aufgrund von vermeintlichen Prozessfehler freigesprochen wurde, verklagt Detective Montoya auf 10 Millionen Dollar Schadenersatz wegen unrechtmässigen Vorgehen bei der Überführung. Als wäre das noch nicht genug, bekommt das GCPD ein Photo zugesandt, auf welchem Montoya innig einen Fremden küsst. Ihr fragt euch wo das Problem liegt? Das Problem liegt darin, dass dieses Bild ein Geheimnis lüftet, welches Renee ihr Leben lang gehütet hat. Der Fremde, den sie auf dem Photo küsst, ist eine „Sie“ und es handelt sich dabei um ihre „Lebensabschnittspartnerin“. Renee Montoya ist homosexuell und um dieses Geheimnis zu hüten, hat sie über Jahre ein Doppelleben geführt. Man könnte meinen, dass es heutzutage keine Tragödie mehr sein sollte, sich als homosexuell zu outen, aber wie bei den meisten Sachen im Leben hängt es jeweils von der Perspektive des Betroffenen ab. Wenn die Eltern streng katholisch sind und sich von ihrer Tochter nichts sehnlicher wünschen als Enkelkinder, kann es ungleich schwerer sein, ehrlich zu sein. Montoya ist eine Frau, die in sich zerrissen ist, entzweit und die bis zum jetzigen Zeitpunkt Angst davor hatte ihre persönliches Glück zu verfolgen, aus Angst ihre Eltern todunglücklich zu machen.

Die Ereignisse überstürzen sich und nachdem Montoya vor dem gesamten GCPD blossgestellt wird, erfährt sie, dass der Privatdetektiv, der besagtes Photo von ihr nahm, ermordet wurde. Als währe es nicht genug, dass sie gegen ihren Willen vor ihren Kollegen und ihrer Familie geoutet wurde, ist sie nun auch Hauptverdächtige in einem Mordprozess und landet schliesslich im Gefängnis. Es ist als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen. Doch WER ist „die ganze Welt“? Ich weiss nicht, ob ich es euch verraten soll, hmmm, ich kann mich nicht entscheiden. Vielleicht sollte ich eine Münze werfen. Nein, nein, bis jetzt habe ich Spoiler immer vermieden und das soll bei dieser Rezension nicht anders sein.

Die Kernthematik dieser Geschichte ist Montoyas Doppelleben und die Tatsache, dass dies unweigerlich dazu führt, dass man im Endeffekt nur ein halbes Leben führt („Half a life“). Die grösste Ironie ist jedoch, dass Rucka diese Erkenntnis nicht etwa anhand eines maskierten Helden aufzeigt, dessen Doppelidentität auf der Hand liegt, sondern anhand einer gewöhnlichen Frau, die in einer Stadt arbeitet, die von dunklen Rittern, Wunderknaben und fiesen Clowns nur so strotzt. Die Story überzeugt auf ganzer Linie und weiss nicht nur zu unterhalten. Das einzige was gegenüber „In the Line of Duty“ (TPB 1) gleich blieb, sind die Zeichnungen von Michael Lark und diese sind bekanntlich hervorragend. Larks Stil hebt die Gemütsstimmungen der Charaktere präzise hervor, wodurch der nüchterne Unterton der Geschichte unterstrichen wird. Rucka gelingt mit „Half a Life“ etwas, was ich an seinen bisherigen Storys schwer vermisst habe: Er appelliert nicht nur an den Intellekt des Lesers, sondern auch an seine Gefühle. Dabei rausgekommen ist ein berechtigter Eisner-Award Gewinner.

10/10
Lamond

Review zu Gotham Central: In the Line of Duty TPB 1 unter
http://supercomics.blogspot.com/2005/07/gotham-central-in-line-of-duty-tpb-1.html.