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Sonntag, Oktober 30, 2005

The Sandman: Preludes and Nocturnes TPB 1

Written by Neil Gaiman; Art by Sam Keith, Mike Dringenberg and Malcolm Jones III; Cover by Dave McKean (DC Comics/Vertigo). Deutsch: Sandman Präludium & Notturno, Feest Comics (Ehapa Verlag), ISBN 3-928108-27-1 und Sandman 1: Präludien & Notturni, PaniniComics, ISBN 978-3-86607-355, 22.2.07.

"Wake up, sir. We're here."
Wer hätte 1988 gedacht, dass dieser simple Einzeiler eines der bedeutendsten Comicwerke des 20. Jahrhunderts eröffnen würde?

In einer Welt, die sehr viel seltsamer ist, als wir sie uns vorstellen, nimmt ein verrückter Hexenmeister im Jahre 1916 bei der Jagd auf die Ewige "Death" versehentlich deren Bruder "Dream", den Herr der Träume, gefangen. "Death" und "Dream" gehören einer Gruppe von sieben Endlosen an, deren Namen alle mit "D" beginnen.

"Dreams" Gefangennahme hat Konsequenzen für die Menschheit. Einige Menschen werden zu Tagträumern, andere werden von Albträumen verfolgt, wieder andere leiden an Insomnie. Nach 75 Jahren gelingt es "Dream", der auch Morpheus genannt wird, seinem Peiniger zu entfliehen, um darauf festzustellen, dass die Welt sehr unter seiner Abwesenheit litt. Um seine Macht zurück zu gewinnen, muss der Herr der Träume zunächst seine drei drei Insignien wiederfinden, einen Helm, ein Säckchen mit Traumsand und einen Rubin.

Neil Gaiman versteht es Unterhaltsames und Grausiges zu vermengen. Seine Charakterisierungen sind delikat; sie beruhen auf gründlicher Recherche. Gaiman selbst sagt, erst im 8. Heft der Serie, dem Beginn von "The Sound of Her Wings", hätte er seine Stimme gefunden. Zuvor sei seine Geschichte noch unbeholfen und horrorlastig gewesen. Mag es auch aus seiner Sicht stimmen, liebe ich an den ersten Heften den mitunter rauen Aufbruch in einen neuen Erzählkosmos und die dabei verwendeten faszinierenden erzählerischen Perspektiven.

Bestimmend in den "Präludien und Nocturnes" ist nie der Sandman selbst, "Dreams" dritter Name, sondern die Leben derer, die er in Mitleidenschaft zieht. Als König der Träume ist er auch der König der Geschichten, mit der Folge dass der Comic nur von Geschichten handeln kann. En passant werden die Herrscher der Hölle eingeführt, eine Regierungskoalition (!), sanfte Bezüge zum DC Universum (John Constantine, Justice League of America, Dr. Destiny) gesponnen und biblische Motive wie die Geschichte von Kain und Abel aufgegriffen.

Die Kunst ist größtenteils wundervoll: Schatten, Farben und Verzerrungen erweitern die Bedeutung der Geschichte. Sam Keith als Penciler und Mike Dringenberg als Inker mit Robbie Busch als Koloristen kreieren düstre erste drei Ausgaben. Als Keith die Serie verlässt, wird Dringenberg Penciler und bringt Malcolm Jones III als Inker mit. In den folgenden Ausgaben siegt die Klarheit der Form, was der Story gut tut. Todd Klein als Letterer gibt jeder Stimme Klang. Man hört die dunkle widerhallende Stimme Dreams. Lucifers hohe, klare Stimme tönt schneidend, kalt und formal. Doctor Destinys gebrochener Verstand kommt in seinen nadelspitzen Buchstaben zum Ausdruck. Über die atemberaubend schönen Cover von Dave McKean müssen wohl keine weiteren Worte verloren werden.

Der Sandman ist kein Superheld, er ist ein Beobachter, zeitweise ein Katalysator. Was er regiert, entzieht sich unseren Wahrnehmungsgrenzen. Als Herrscher über das Königreich der Träume sind seine Motive nicht die unseren. Ihn zu verstehen ist unmöglich. Und dennoch ist seine anthropomorphe Erscheinung mitfühlend und leidenschaftlich. Das liegt vielleicht daran, dass "Dream" ein höchst subtiler Charakter ist. Man könnte sogar von einem schwachen Charakter sprechen. Die Endlosen setzen keine Kausalketten in Gang und zeigen höchst selten eine Reaktion. Sie personifizieren vielmehr Konzepte. Dieser Grundsatz wird im vorliegenden ersten Band etwas aufgeweicht, denn der Sandman lernt darin zu erwidern und zu verursachen.

10/10
Philos

Review zu Sandman Mystery Theatre: The Tarantula TPB 1 unter