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Sonntag, Januar 29, 2006

Fables: Animal Farm TPB 2

Written by Bill Willingham pencils by Mark Buckingham (Vertigo). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Als ich mich damals zum Kauf des ersten "Fables" Bandes (Legends in Exile) entschloss, befürchtete ich, es handle sich bei Fables um eine Art „Ultimatisierung“ der alten Märchenwelt. Weit gefehlt. Willingham bedient sich der Charaktere um mit bekannten Genres zu experimentieren und Geschichten oder historische Ereignisse auf völlig erfrischende weise nachzuerzählen. Dabei setzt der Autor die Metaphern und Symbole, für welche die Figuren jeweils stehen, gekonnt ein und schafft damit Erzählungen, die so ungezwungen und unterhaltsam daherkommen, dass man als Leser vor Entzücken in die Hände klatschen möchte. Ich scheue mich nicht Willingham als einen modernen George Orwell dieses Mediums zu bezeichnen, denn es fällt mir ansonsten kein Comic Autor ein, der durch Fiktionen ein so präzises Ebenbild der Realität widerzugeben vermag. Nun, wie es der Zufall so will, entspricht der Titel des zweiten Bandes dem gleichnamigen Roman von George Orwell: Animal Farm. Die Parallelen zwischen diesen beiden Geschichten beschränken sich jedoch nicht alleine auf den Titel. Während das Original eine Parabel auf die Ereignisse der französischen Revolution war, ist Willinghams Geschichte eine Metapher auf Revolutionen und Staatsstreiche im Allgemeinen.

Es gibt zwei Arten von Fables, jene in menschlicher und jene in animalischer Form. Letztere können nicht in Fabletown leben, da sie den gewöhnlichen Menschen auffallen und damit das Geheimnis der Fabelgemeinschaft gefährden würden. Aus diesem Grund wurde weit entfernt eine Farm für die Tiere eingerichtet in der sie ungestört leben können. Hier setzt die zweite Geschichte an: Die Farmtiere sind alles andere als glücklich mit ihrer Situation, denn obwohl die Farm ihnen Sicherheit und Wohlstand bietet, fühlen sie sich als Gefangene im goldenen Käfig. Ihnen bleibt nur ein Weg zur Freiheit; die Rückkehr in die von feindlichen Truppen besetzte Heimat. Im Bewusstsein, dass sie die menschlichen Fables niemals von einem solch gewagten und unüberlegten Schritt überzeugen könnten, schmieden die Tiere unter der Führung des psychotischen Goldlöckchens, einen heimtückischen Plan.

Willingham beschreibt mit erschreckender Präzision, wie sich grundsätzlich vernünftige Wesen, unter bestimmten Umständen in mörderische Fanatiker verwandeln können. Der Autor nimmt jedoch nicht die Position des Pädagogen ein, der die Leser mit eindeutigen Botschaften erziehen möchte, nein, vielmehr beschränkt er sich auf das wertfreie Beobachten. Die Charaktere sind mehrschichtig, komplex und widersprüchlich, sodass man als Leser nicht immer weiss, wie man auf die Ereignisse reagieren soll (Ein Bisschen wie im wirklichen Leben). Die Zeichnungen sind diesmal von Mark Buckingham, dessen Stärke das Darstellen von Emotionen ist. Sein Artwork ist dynamisch und unterstützt damit den zügigen Storyverlauf.

Ich bin ein wahrer Fan dieser Serie und stelle jedes Mal erstaunt fest, dass Willingham sich von Seite zu Seite kontinuierlich steigert. Die Geschichten sind dicht und lassen niemals Langweile aufkommen. Zudem beherrscht er es wie kein anderer eine emotionale Verbindung des Lesers zu den Figuren herzustellen. Willingham verarbeitet in Fables gesellschaftliche und historische Ereignisse und präsentiert sie den Lesern unabhängig von Ort und Zeit. Zurück bleibt eine wertfreie Studie des menschlichen Verhaltens. Man merkt jedoch, dass der Autor die Menschen nicht trotz, sondern gerade aufgrund ihrer Fehler liebt und das ist bei all den Schwarzsehern in der Comic­-Branche ein wahrlich befriedigendes Lese-Erlebnis. Obwohl es vielleicht noch etwas zu früh ist, wage ich die Prognose, dass diese Serie in einigen Jahren zu den klassischen Comic-Werken zählen und in einem Atemzug mit Sandman oder Preacher genannt wird, zumindest von mir.

10/10
Lamond

Review zu Fables: Legends in Exile TPB 1 unter