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Sonntag, Februar 05, 2006

Chosen TPB

Written by Mark Millar, pencils by Peter Gross (Dark Horse). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Zwar hat Mark Millar seinen Ruhm als Autor durch Serien wie The Authority, Ultimates, Ultimate X-Men und Wolverine erlangt, aber seine persönlichsten Werke sind zwei Geschichten im Rahmen von Millarworld: Wanted und Chosen.

Der 12-jährige Jodie Christianson ist ein ganz normaler Junge, der in einer amerikanischen Kleinstadt aufwächst. Als er eines Tages die Schule schwänzt, um sich mit seinen Freunden im Wald Pornohefte anzuschauen, wird er in einen Verkehrsunfall verwickelt und dabei unter einen 18 Tonnen schweren Lastwagen begraben. Wäre Jodie wie oben erwähnt tatsächlich ein ganz normales Kind, so käme die Geschichte zu diesen Zeitpunkt an ihr Ende, doch stattdessen klettert er unter dem Truck hervor, ohne auch nur eine Schramme davon zu tragen. Von da an geht es schnell: Mysteriöse Unbekannte erzählen ihm er sei der „Auserwählte“, die Freunde stellen seine neuen Kräfte auf die Probe, in dem sie ihn Wasser in Wein verwandeln lassen. Als er dann sogar Kranke heilt und tote Tiere wiederauferstehen lässt, ist sogar der grösste Skeptiker, ein katholischer Priester, davon überzeugt, dass Jodie Christianson der wiedergeborene Jesus Christus ist.

Millar widmet sich mit dieser zugegebenerweise sehr kurzen Mini zwei interessanten Fragen: „Wie würden Menschen auf so ein Ereignis reagieren?“, und „Wo liegt der Unterschied zwischen Glauben und Wissen?“. Die Perspektive spielt bei diesem Comic ebenfalls eine entscheidende Rolle und zwar nicht nur weil die Ereignisse aus der Sicht des mittlerweile 33-jährigen Jodie erzählt wird. Ich möchte an diesem Punkt nicht mehr weiter auf den Inhalt eingehen, da diese Geschichte stark von der Unwissenheit des Lesers lebt.

Mark Millar beweist einmal mehr, weshalb er zu den angesehensten Comic-Autoren der Branche zählt. Trotz rasanter inhaltlicher Entwicklung versäumt er es nicht den Leser vorsichtig und mit gut recherchierter Information in die Thematik einzuführen. Die subtile, aber präzise Darstellung menschlicher Schicksale gelingt ihm bei „Chosen“ besser als jemals zuvor. Was jedoch Millar für mich zu einem der drei besten Comic-Autoren macht, ist die Tatsache, dass er es, unabhängig davon ob er einen seichten Popcorn-Comic oder eine tiefgründige Charakterstudie schreibt, nie versäumt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu unterhalten.

Doch was wäre der beste Autor ohne einen passenden Zeichner? Peter Gross’ verträumter, ja fast kindlich naiver Stil und die weiche, erdige Kolorierung, erschaffen eine vermeintlich idyllische Atmosphäre, der man als Leser anfangs nicht so recht trauen will, schliesslich ist es ein Millar-Comic und kein Kinderbuch. Doch mit der Zeit versinkt man als Leser in diese herbstfarbene Welt und verfällt auf Grund der ruhigen Erzählweise beinahe in einen hypnoseartigen Zustand.

Obwohl „Wanted“ bei der Mehrheit der Leser wohl das beliebteste der Millarworld-Werke war, empfand ich „Chosen“ als Millars reifstes Werk, bei dem kreativer Fluss und intellektuelle Leistung gleichermassen zum Tragen kommen. Schliesslich möchte ich die oben erwähnte Frage an euch richten: Worin liegt der Unterschied zwischen Glauben und Wissen? Nun, wenn ihr den besprochenen Comic lest, werdet ihr wissen wovon ich spreche, ansonsten, und das dürft ihr mir glauben, wisst ihr gar nichts.

10/10
Lamond