Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Sonntag, März 12, 2006

Incredible Hulk: Tempest Fugit TPB 9

Written by Peter David, pencils by Lee Weeks (Marvel). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Fragt man einen Comic-Verständigen, ob er eine Lieblingsfigur oder einen Lieblingscharakter hat, wird er wahrscheinlich ganz nüchtern antworten, dass es so was wie schlechte oder gute Figuren nicht gibt, sondern lediglich gute oder schlechte Geschichten. Die Tatsache, dass er mit dieser Aussage Recht behielte, ändert nichts an der Tatsache, dass einem die Grundcharakterisierung einer Comic-Figur mehr oder weniger anspricht, was dem Leser wiederum die Kaufentscheidung erleichtert. Ich jedenfalls habe nicht nur Lieblinge bei Marvel, sondern auch Figuren, die ich dezent meide. Zu letzterer Kategorie gehören unter anderem der Punisher, Elektra, Black Widow und bis vor kurzem eben auch der „unglaubliche Hulk“. Von Zeit zu Zeit frage ich dann meine Comic-Kollegen, was sie von diesen Figuren bzw. ihren aktuellen Abenteuern halten und wenn die Feedbacks überdurchschnittlich positiv sind, gebe ich der entsprechenden Serie eine Chance.

Ein Grund, weshalb ich den Hulk mied, war die Fehlannahme, dass dieses Monster nicht zur verbalen Kommunikation fähig war („Hulk Smash!“, wird wohl kaum in einer Sammlung der besten Lebensweisheiten und Zitate auftauchen). Wie sich bei der Lektüre herausstellte, kann der grüne Goliath nicht nur in ganzen Sätzen sprechen, nein, er ist auch schlagfertig und überzeugt gar durch seinen trockenen Sinn für Humor.

Der Hulk, der gerade am Meeresgrund einen gemütlichen Spaziergang macht, strandet auf einer Insel. Hier begegnen ihm pausenlos alte Bekannte, wie z.B. der graue Hulk, Fing Fan Foom, General Ross und sogar Bruce Banners tot geglaubte Ehefrau Betty Ross. Es kommt zu spektakulären Kämpfen, witzigen Dialogen und sogar zu rührenden Momenten. Obwohl es zweifellos die Absicht des Autors war, mit dieser Storyline den Hulk mal wieder richtig in Aktion zu setzen, widmet er sich auch Bruce Banners Jugend und bringt eine erstaunliche Erkenntnis ans Licht: Der Hulk gibt es nicht erst seit den Gammastrahlen-Vorfall, sondern schon seit dem Tod von Banners Eltern. Der Hulk begann als imaginärer Vater-Ersatz und wurde immer mehr zu einer zweiten Persönlichkeit, kurz gesagt: Bruce war schizophren und der aktuelle Hulk ist nichts anderes als die fleischgewordene zweite Persönlichkeit.

Die Geschichte ist dicht, charmant und fürchterlich unterhaltsam. Den Band legte ich jeweils nur kurz weg, um mich zu ohrfeigen, denn nachdem ich diese Figur solange zu unrecht ignoriert habe, hatte ich es nicht anders verdient. Peter David konnte mich schon mit seiner Serie „Fallen Angel“ überzeugen, aber dass "sein" Hulk soviel hergibt, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Doch damit nicht genug, denn David wurde durch den unglaublichen Lee Weeks unterstützt, dessen wunderbar detaillierten und dynamischen Zeichnungen die Figuren erst richtig Leben erwecken. Sein Artwork erinnert mich an eine Mischung aus Gary Frank (Supreme Power) und John Romita Jr. (Wolverine). Kurz gesagt: Ein grandioses Comic-Erlebnis, welches mir gezeigt hat, dass aufgrund unberechtigter Vorteile oftmals grosse Unterhaltung verloren geht.

9/10
Lamond

Review zu Fallen Angel TPB 1 unter