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Sonntag, November 05, 2006

Girls: Emergence TPB 2

Gastreview von Vladimir Afonichev a.k.a. Rubelzar. Sehr vielen Dank!

Written and pencilled by Jonathan and Joshua Luna (Image).






























Vorweg möchte ich erwähnen, dass Girls: Conception TPB 1 meine recht hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte und ich ziemlich enttäuscht war. Die Geschichte wurde sehr in die Länge gezogen. Man hätte die Story wunderbar auf die Hälfte straffen können.

Nur auf Grund der stets guten Kritiken und etwas Neugier, die der erste Band doch hinterließ, habe ich mir Girls: Emergence TPB 2 gekauft, um der Serie eine zweite Chance zu geben, denn wie sagt man: "Der erste Eindruck entscheidet, der zweite bleibt!“ Mal sehen was nach ausführlicher Betrachtung diese zweiten Bandes bleibt:

Nachdem die Bewohner von Pennystown am Ende des ersten Trades feststellen mussten, dass ihnen die Flucht aus der Stadt südwärts aufgrund einer seltsamen Wand versperrt ist, unternehmen sie den nächsten logischen Schritt und versuchen den Weg in einer anderen Richtung zu erkunden. Hierzu teilen sich die Bewohner in zwei Gruppen, wobei eine Gruppe - bestehend aus Männern, angeführt vom Polizisten Wesley - ihr Glück auf der Nordroute versucht, während sich die zweite Gruppe um Ethan im Haus der Familie McCallister verschanzt, um sich erstmal vor den unheimlichen Mädels zu schützen.

Wie zu erwarten, erkennt Wes Truppe, dass der Weg in Richtung Norden ebenso von einer Wand versperrt wird wie der in Richtung Süden. Um ein Loch in der Wand zu finden, tastet sich der Erkundungstrupp an der Wand entlang immer tiefer in den Wald, wo ihnen zusätzlich zur omnipräsenten Bedrohung durch die mörderischen Mädchen auch noch die Natur selbst ein Bein zu stellen versucht.

Ungewöhnlich ist die Rolle des Pastors, der dem Erkundungstrupp angehört. Anstatt sich in Gebeten zu verlieren, behält er einen klaren Kopf und ist im Grunde der einzige vernünftig denkende Part der Gruppe, der offensichtliche Fakten zu einem logischen Schluss kombinieren kann. Die Rolle des streng Gläubigen übernimmt an dessen Stelle ein Durchschnittsbürger, der immerzu an eine göttliche Fügung glaubt und auf ein Deus ex Machina-artiges Eingreifen durch Gott hofft. Ob die Luna Brothers hiermit eine politische Aussage formulieren, möchte ich an dieser Stelle nicht entscheiden. Die bisher vorliegenden Hefte sind völlig frei von politischen Stellungnahmen, abgesehen von der leisen Kritik an den familiären Zuständen der heutigen christlichen Gesellschaft, die die Luna Brothers in ihrer mitunter sehr absurden Rollenverteilung innerhalb der Familien verstecken.

Um diese Rollenverteilung dreht sich ein großer Teil der Geschichte, die von der verschanzten Gruppe erzählt, die sich im Haus der Familie McCallister aufhält. Die Autorenbrüder nutzen die Situation um eine sehr schöne psychologische Studie über eine Gruppe unter hoher Belastung zu präsentieren und die Gruppendynamik zu untersuchen.

Ein an sich ziemlich ausgelutschtes Thema, wäre da nicht die Kleinigkeit, dass sich nur ein Teil der Gruppe, nämlich die Frauen, in akuter Gefahr befinden. Auf den ersten Blick ungewöhnlich ist auch der Umstand, dass manche Männer sich als sehr devot ihren Frauen gegenüber erweisen. Beide Besonderheiten lassen die Gruppe ganz anders handeln, als man erwartet. Manche Überraschungen kommen einem nach dem Lesen als unausweichlich und absolut zwingend vor. Dies ist eine beachtliche Leistung. Eine komplexe Gruppe unter solch "fantastischen" Bedingungen dermaßen real agieren zu lassen, ist nicht ganz einfach.

Sehr schön finde ich, dass der Fokus, welcher in Vol. 1 sehr auf Ethan lag und die ersten sechs Ausgaben zäh wie Kaugummi erscheinen ließ, sich nun auf die beiden Gruppen verlagert und die Gruppendynamik näher beleuchtet, anstatt immer nur einzelne Charaktere in den Vordergrund zu stellen. Natürlich werden auch Einzelschicksale dargestellt, aber diese münden oft im Gesamtkontext, und treiben die Handlung eines jeden Heftes ihrem leider fast immer recht vorhersehbarem Höhepunkt entgegen. Denn nach spätestens der Hälfte von Vol. 2 fängt die Erzählstruktur ihre negativen Seiten zu offenbaren. Da jede Ausgabe mit einem Cliffhanger endet, kann man sich ziemlich schnell zusammenreinem, was alles schief gehen kann und sieht somit fast immer das Ende der Ausgabe voraus.

Ich nenne es mal den „Shyamalan-Effekt“. Bei seinem ersten Film, The Sixth Sense, war das Ende eine Sensation, weil keiner damit gerechnet hat. Bei seinem zweiten Film war es ebenfalls spitze, weil man dachte er wiederhole sich nicht. Mittlerweile erwartet man immer ein unvorhersehbares Ende und die ersten paar Filme begeistert einen noch dieser Trick, doch nach dem dritten oder vierten wird es langweilig. Vielleicht sollten die Luna Brothers mal von ihrem Anfangskonzept wegkommen und die Serie in dieser Hinsicht ein bisschen Auffrischen.

Das Artwork weiß größtenteils zu überzeugen, offenbart aber im Detail doch einige Schwächen. Als erstes fielen mir die zu runden und zu glatten Gesichter auf. Da fehlt Kontur, welche die Protagonisten einmalig und vor allem vom Leben gekennzeichnet erscheinen lässt. Meiner Meinung nach wird so ein wichtiger Teil ihrer Charakterisierung vernachlässigt.

Vielleicht fällt einem die Identifikation mit einem Allerweltsgesicht leichter, aber bei einer solch großen Bandbreite an verschiedenen Charakteren sollte die Identifikationsfigur nicht unbedingt über die Optik zu finden sein. Auch eine dichte Atmosphäre, wie sie in einem Mystery/SciFi-Abenteuer vorhanden sein sollte, will sich nicht einstellen. Die Zeichnungen sind zu steril, als dass ich wirklich in ihren Bann gezogen werden würde. Sie sind keinesfalls schlecht. Dennoch würde ich mir einen etwas dreckigeren Stil wünschen, der die Verzweiflung und Hilflosigkeit etwas besser zur Geltung bringt. Am enttäuschendsten war ich allerdings von der Massenactionsequenz.

Zu unübersichtlich und wirr ist hier die Action auf die Panels aufgeteilt, so dass ich große Schwierigkeiten hatte der Szene zu folgen und am Ende einfach über ein Ergebnis froh war, welches noch mal ordentlich zusammenfasste, wer alles im Kampf gefallen war und wer nicht. Nicht zu vergessen ist hierbei die vor jede Ausgabe aktualisierte und sehr detailierte Karte von Pennystown, die alle wesentlichen Vorkommnisse in und um Pennystown einem konkreten Ort zuordnet und einen mittendrin sein lässt.

Überraschenderweise wählen die Luna Brothers eine sehr konservative, fast schon klassische Panelaufteilung, wie sie im "Bilderbuch" steht, während sie eine sehr moderne Geschichte erzählen. Nichts desto trotz passt diese Panelaufteilung zum sehr geradlinigen Stil, der keinerlei Rückblenden oder sonstige temporäre Sprünge beinhaltet.

Nach der Lektüre des zweiten Bandes von Girls bin ich angenehm überrascht. Ich musste feststellen, dass der ersten Band als Exposition gedacht war und die Figuren auf die nötigen Plätze gerückt hat. Wo ich eigentlich eine Entwicklung noch mehr Richtung Mystery erwartet habe, bekam ich eher ein schönes Kammerspiel, in dem die verschiedensten Charaktere unter Extremsituationen agieren und einige sehr interessante Charakterstudien zu beobachten sind.

Die Sci/Fi-Story dient lediglich als Aufhänger um die benötigten Extremsituationen zu erzeugen. Wenn die Luna Brothers es schaffen ihrem Artwork die Sterilität zu nehmen, kann ich eine bedingungslose Kaufempfehlung aussprechen. So bleibt ein solider Comic mit größeren Abstrichen beim Artwork und kleineren Schwächen in der Story, die in meinen Augen aber nur als marginal zu bewerten sind.

7.5/10
Vladi a.k.a. Rubelzar
Review zu GIRLS: CONCEPTION TPB 1 von Lamond.