Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Sonntag, Mai 14, 2006

Spider-Man: The Other TPB

LL's US TPB PREVIEW: Mai 2006

Written by Joe M. Straczynski, Peter David and Reginald Hudlin, pencils by Mike Deodato Jr, Mike Wieringo and Pat Lee (Marvel). Deutsch: "Im Netz von Spider-Man #1 (April), Spider-Man #25, Spider-Man #26, Im Netz von Spider-Man #2 (PaniniComics Deutschland).





























Wenn es einen Grund gibt, bei Spider-Man: The Other, für ein Element die Höchstnote zu vergeben, dann für die Sensibilität und das Einfühlungsvermögen von Peter David. Im 10. Teil der Story schafft er es auf unvergleichliche Weise die Gesamthandlung und Ihre Auswirkungen eindringlich und kurz in einem einzigen Satz, gesprochen von Peter Parker, zusammen zu fassen und dabei Leser und fiktive Charaktere einander näher zu bringen, als das in den letzten Jahren jemals der Fall war:

Peter zu MJ: „None of this makes any sense!“

Wie man ein Crossover plant

Ein Crossover zwischen drei Serien erfordert aufwändige Kommunikation zwischen den Autoren, Verzicht auf eigene Ideen zugunsten des Gesamtkonzepts und so weiter. Dachte ich zumindest. Aber die Absprache bei „The Other“ hat sich wohl auf folgendes Telegramm von Mastermind J.M. Straczynski (JMS) an Peter David (PAD) und Reginald Hudlin beschränkt: „Peter Parker todkrank. Stop. Schurke X lebt wieder. Stop. Am Ende gibt’s ordentlich auf die Nüsse. Stop.“

Epilog, Epilog, Epilog ...

Dementsprechend hat der erste Dreiteiler von PAD (zukünftiger Alleinautor der neuen Serie Friendly Neighborhood Spider-Man, deren erste drei Ausgaben er aber dank „The Other“ mit den Kollegen teilen musste) auch nur am Rande mit dem Crossover zu tun. David führt einen neuen und wie ich meine interessanten Schurken ein, zeigt, dass er ein Gespür für die Charaktere des Spiderverse hat, nimmt das JMSsche Drama etwas raus, bringt warmherzigen Humor zurück und nebenbei schafft er zwei fast identische „The Other“-Cliffhanger, auf deren Auflösung der Autor dieser Rezension noch heute wartet. Auch wenn PAD das Gegenteil behauptet, vermittelt er einem das Gefühl, dass er seine eigene Serie starten wollte und weder Lust, noch Freiraum hatte ein Comic zu schreiben, dass Teil von „The Other“ ist. So misslang beides: Der überwiegend angenehm unbeschwerte Start der neuen Spidey Serie macht zwar Hoffnung auf PADs weitere Arbeit, wirkt aber zusammen mit dem Ballast des Crossover unausgegoren. Diesen überlangen, nach den Ereignissen in Amazing Spider-Man #524 absolut überflüssigen Epilog hätte man PAD, den Lesern und der Gesamtstory besser erspart.

Epilog, Epilog, ... Recycling?

Aber der Epilog ist noch nicht zu Ende. Peter Parker ist todkrank. Die ideale Ausgangsituation mit immensem Potential um die Persönlichkeit der Charaktere rund um Spidey auszuloten. Aber da Hudlin viele Seiten zu füllen hatte, schickt er unseren Helden erst mal zum Hulk und dann noch auf einen lehrreichen Kurztrip nach Wakanda zum Black Panther. Ein sinnfreier aber mystikbeladener Kurzbesuch bei Doc Strange ist Pflicht, schließlich hält JMS die Fäden in der Hand. Eine haarsträubende Zeitreisegeschichte (IRON MAY!!!) folgt und erinnert nostalgisch an die Zeiten als der Anspruch von Superheldencomics gegen unter Null tendierte. Vegas wäre auch ne Idee um ein paar Seiten zu füllen und wenn wir schon dabei sind – ab ins All.

Reginald Hudlin macht keine Gefangenen. Auf seinem Kurztripp durch die Marvelwelt bleibt kein Charakter verschont. Continuity, Glaubwürdigkeit, Rücksicht auf individuelle Persönlichkeiten, bleibende Eindrücke? – Fehlanzeige.

Doch halt. Was ist das? In Teil 6 geht es plötzlich zur Sache. Da passiert etwas. Spider-Man kassiert Prügel wie nie zuvor. (Kennen wir das nicht?) So hat ihn noch nicht einmal der Hulk geschlagen. (Ach nee, lass mal gut sein.) Und wer Lust hat, diese recycelte Story im besseren Original zu lesen oder die Zeichnungen von Deodato mit denen von John Romita jun. zu vergleichen, dem sei ein Blick in Amazing Spider-Man (Vol. 2) #33 angeraten.

Recycling und Stillstand

Vor wenigen Monaten schrieb Paul Jenkins im Rahmen der „Disassembled Tie-Ins“ eine nicht gerade für ihre Brillianz gerühmte Story, in der Peter Parker auf seltsamen Wegen neue Fähigkeiten erhielt.

Man nehme den zentralen Punkt dieser Story, schreibe einen etwas anderen Rahmen darum und erhält: „The Other: Part 7-9“ geschrieben von JMS. Ein paar gute Ideen und Ansätze gehen im immer noch allgegenwärtigen Stillstand der Story und dem pseudomystischen Background, den der Autor erneut aus dem Hut zaubert verloren. Ebenso verloren wie der Leser: Wohin will diese Story? Was ist warum mit Peter Parker passiert? Gibt es irgendeinen Grund für den Titel „The Other“? Und wenn ja, werden wir ihn noch erfahren?

Finale! ... Finale!!!! ... Finale? ... Hallo? Hört mich jemand?

Der dreiteilige Abschluss von The Other zeigt im Schnelldurchgang warum dieses Projekt scheitert. Mit PAD sitzt ein Autor im Boot, der eigentlich sein eigenes Ding starten möchte. Sein Teil 10 macht Spaß, aber auch das nur, weil er seine eigene kleine Story erzählt. Das Crossover selbst wird nur auf den letzten beiden Seiten voran gebracht. Da passiert, was man sich als Leser schon nicht mehr zu erhoffen gewagt hat: Auftritt The Other. In Teil 11 von Reginald Hudlin haben wir dann noch ca. sechs weitere Seiten das Vergnügen mit dem Namensgeber der Story bevor er in der Kanalisation entschwindet. Offene Fragen bleiben unbeantwortet und man vertröstet uns erneut mit einem Cliffhanger auf das Folgeheft, Teil 12 von JMS.

Und das ist der Hammer: Der finale Showdown zwischen Spidey und The Other ist gigantisch und übertrifft alles bisher dagewesene... Öhh. ´tschuldigung. Falsches Comic. Der finale Showdown zwischen The Other und Spidey fällt aus. Die kurze Begegnung aus Teil 10 und 11 ist tatsächlich alles, was wir von der Figur The Other in „The Other“ zu sehen bekommen. Mit anderen Worten: Der zentrale Punkt, der Charakter dieser von JMS inspirierten Story tritt auf insgesamt ca. acht von 264 Seiten auf, von denen noch nicht einmal eine einzige in einem JMS-Heft zu sehen war. Überspitzt formuliert macht das in etwa soviel Sinn, als hätte man „Secret Wars“ „Venom“ genannt.

Mike Wieringo, Mike Deodato jr., Pat Lee – von hui bis pfui

Bevor ich zum Ende komme, noch ein kurzer Absatz zum Artwork. Neben drei Autoren waren nämlich auch drei Zeichner für „The Other“ verantwortlich. Mike Wieringo liefert einen soliden Job ab, stand aber manchmal so scheint es unter Zeitdruck. Zum eher unbeschwerten Ton der Hefte von PAD passt sein Stil allerdings deutlich besser als zu der düsteren Gesamtthematik. Deodato liefert Zeichnungen in der von ihm gewohnten Weise ab. Wer seinen Stil mag, kommt auch hier auf seine Kosten. Last and least: Für viele ist Pat Lees Arbeit gewöhnungsbedürftig, doch bei „The Other“ übertrifft er sich selbst. Selten haben so schlechte Zeichnungen so brilliant dazu beigetragen, miese Plots noch zu verschlimmern. Ein geradezu genialer Schachzug von Marvel!

Die Drohung

Was bleibt? Ein Crossover, das viel zu lange Anlauf nimmt, etliche Fragen aufwirft und keine beantwortet. Ein Power-Up für Spidey, das besser zusammen mit den organischen Netzdüsen in einem kurzen aber starken Event entstanden wäre, als in diesem übergewichtigen und schwerfälligen Zwölfteiler dessen nicht vorhandenes Finale das Schlimmste befürchten lässt. Da sich die Hefte (nicht zuletzt dank Werbetrommelei und einer perfekt auf Fanwünsche zugeschnittenen Serie von Variantcovern) so gut verkauft haben, wird uns das nächste Finale (oder das nächst Finale vor dem Finale) sicherlich wieder in ähnlicher Form serviert: Pfui Spinne!

3/10
Robert Löhr a.k.a. LL
Review zu Amazing Spider-Man: The New Avengers TPB 10 von LL.
Review zu MK Spider-Man: Wild Blue Yonder TPB 4 von Lamond.