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Sonntag, Juni 18, 2006

Marvel Knights 4: Impossible Things Happen Every Day TPB 4

Written by Roberto Aguirre-Sacasa, pencils by Valentino DeLandro, Mizuki Sakibara & Ron Frenz (Marvel). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Die Welt von Marvel wird momentan durch enorme Egos geprägt. So ist z.B. Brian M. Bendis dafür bekannt, drastische Eingriffe am Universum vorzunehmen, um es seinen kreativen Bedürfnisse anzupassen, genauso Mark Millar. JMS wiederum vergeht sich nur all zu gerne an den Entstehungsgeschichten bestimmter Marvel Ikonen (Spider-Man, Fantastic Four) und Warren Ellis hält nichts, aber auch gar nichts, von Continuity. Garth Ennis hat mal eben einen Charakter bis zur Unkenntlichkeit umgeschrieben (Punisher) und Peter David hält sich ohnehin für einen Comic-Gott. Versteht mich nicht falsch, ich halte alle die hier genannten Autoren für begnadete Künstler, aber nur zu oft ignorieren sie, dass die von ihnen eingesetzten Figuren eine Jahrzehnte alte Geschichte haben, in welcher sie weitestgehend charakterisiert und definiert wurden.

Es gibt dann natürlich auch die Fraktion Comic-Traditionalisten, welche „Old school“-Geschichten erzählen, die zwar gelegentlich Spass machen aber aufgrund des „altbackenen“ Flairs meist nur in den nostalgischen Fans ein Zielpublikum finden.

Doch wo lässt sich Roberto Aguirre-Sacasa einordnen?

Inhumane (2-Teiler)

Seit Jahren schon stehen die Inhumans den Fantastischen Vier als verlässliche Alliierte, treue Freunde und gelegentliche Babysitter zur Seite. Doch bisher hat sich niemand kritisch mit ihrer gesellschaftlichen Ordnung auseinandergesetzt. Die Inhumans leben in einer rigiden Klassengesellschaft in der die sogenannten „Alpha Primitives“ als Sklaven gehalten werden. Wie können unsere Helden, die schon so oft für Freiheit und Gerechtigkeit und gegen Tyrannei und Unterdrückung gekämpft haben, eine freundschaftliche Beziehung zu dieser „unmenschlichen“ Zivilisation unterhalten? Wahrlich eine legitime Frage, in welcher der Autor – wie schon so oft in seinem Run – zeigt, dass es ihm ausserordentlich wichtig ist, aktuelle gesellschaftliche, philosophische und politische Themen in seine Storylines zu integrieren. Doch im Gegensatz zu Leuten wie Reginald Hudlin, die ihre Serien als Medium politischer Propaganda missbrauchen und den Leser zu indoktrinieren versuchen, pflegt Aguirre-Sacasa eine sensiblere, differenziertere Herangehensweise, in welcher der Leser zum nachdenken angeregt werden soll. Leider erwartet die Mehrzahl der Leser etwas vollkommen anderes von den Fantastischen Vier. Nur so lässt sich der kommerzielle Misserfolg dieser aussergewöhnlich intelligenten Serie erklären.

Ladies Night (Single Shot)

Das Ehepaar Richards müsste heute ihren Hochzeitstag feiern, doch als Sue an diesem besonderen Tag aufwacht, liegt sie alleine im Ehebett. Voller Enttäuschung stellt sie fest, dass ihr Gatte ohne auch nur die geringste romantisches Detail zu hinterlassen, seine nächste Expedition in Angriff genommen hat. Typisch Reed, in seinem unerschöpflichen Wissensdrang hat er einmal wieder seine familiären Pflichten vergessen. Susan, die zwar wenig überrascht aber umso enttäuschter ist, wird schmerzhaft an die Mehrdeutigkeit ihres Superheldennamens erinnert, „Invisible Woman“. Doch bevor sie vollends im Selbstmitleid ertrinkt, bekommt sie einen Anruf von Alicia, die, in Anbetracht der Umstände, keine Sekunde zögert einen Frauen Abend zu organisieren, an dem Erstaunliches aus Sues Vergangenheit ans Tageslicht kommt.

Der Autor widmet sich in diesem Einteiler der Rolle der Frau im Marvel Universum und zeigt, wieviel sich seit den ersten Abenteuern in den 60er Jahren verändert hat. Obwohl auch diese Idee ziemlich interessant ist, wirkt die Umsetzung ein wenig fad bzw. einen Tick zu brav, was man dann auch am wenig originellen, zuckersüssen Happy End erkennt.

The Yancy Street Golem (Single Shot)

Die jüngeren Leser dürften nicht all zu viel über die Vergangenheit des „Dings“ wissen, zumal die Beliebtheit dieser Figur in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist. Es mag vielen vielleicht merkwürdig erscheinen, aber „The Thing“ war früher auf einer Beliebtheitsebene mit Spider-Man. Zu der Zeit war Wolverine noch ein Nebencharakter.

Aguirre-Sacasa widmet sich in dieser Kurzgeschichte dem Mythos von Ben Grimm und dessen Charakterzüge - Aufrichtigkeit, Loyalität und Bodenständigkeit. Ein nachdenklicher und zu tiefst melancholischer Ben wird beauftragt in seinem ehemaligen Viertel ein Golem zu stoppen, der ausser Kontrolle geraten ist. Auf raffinierte Art lässt uns der Autor an der Nostalgie des Charakters teilhaben um schliesslich mit einem ergreifenden Blick in die Zukunft abzuschliessen.

Impossible Things Happen Every Day (2-Teiler)

In der letzten Geschichte dieses Bandes offenbart uns der Autor seine kindliche Freude an seinem Beruf und zwar in dem er sich selbst in das Abenteuer einbringt. Mit viel Fantasie und einer Prise Humor wird uns ein Einblick in ein Marvel Universum gewährt, in welchem das Haus der Ideen mit seinen Helden koexistiert. Trotz gelegentlicher Seitenhiebe, wirkt das Ganze aber ein wenig zu brav. Doch letzten Endes wird man auch in diesem Zweitteiler hervorragend unterhalten.

4 Stories, 3 Zeichner

Nachdem in der ersten und meiner Meinung auch besten Storyline der sagenhafte Steve McNiven den Pinsel schwang, mussten sich die Leser fortan mit solidem Mittelmass zufrieden geben. Das änderte sich auch in diesem Band nicht. Valentino DeLandro, der sich an seinem Vorgänger orientiert, kann zweifelsohne gut zeichnen, ist aber leider unkonstant. Das Artwork reicht von „hervorragend“ bis „amateurhaft“. Ron Frenz wurde nur sporadisch bei „Ladies Night“ eingesetzt um die Panels aus der Vergangenheit authentisch wirken zu lassen. Die letzte Geschichte wurde schliesslich vom mir unbekannten Mizuki Sakakibara graphisch umgesetzt. Auch hier kann man von einem soliden Artwork sprechen, das jedoch die wenigsten vom Hocker reissen dürfte. Störend war hier lediglich die farbenfrohe, beinahe grelle Kolorierung.

Aguirre-Sacasa und der dritte Weg

Roberto Aguirre-Sacasa ist sozusagen der Kompromiss zwischen den zwei Autoren Kategorien, die ich in der Einleitung genannt habe. Er schreibt frische, moderne und tiefgründige Geschichten, ohne dabei die historische Last der Figuren zu ignorieren. Er bringt den Charakteren den Respekt entgegen, den sie verdienen.

Leider wird er bisher weitestgehend von den Lesern ignoriert. Es bleibt zu hoffen, dass er mit seiner neuen Serie „Sensational Spider-Man“ (ehemals MK Spider-Man) mehr Aufmerksamkeit bekommt. Verdient hätte er es allemal.

Fazit

„Impossible Things Happen Every Day“ ist wie die letzten beiden Bände überdurchschnittlich. Das Niveau der Debutstory bleibt jedoch weiterhin unerreicht. „MK 4“ dürfte vor allem für jene Comicleser reizvoll sein, denen die Mehrheit der Marvel-Serien zu actionlastig und oberflächlich erscheint.

7.5/10
Lamond
Review zu MK 4: Divine Time TPB 3 von Lamond TPB 3.