Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Montag, Februar 28, 2005

Demo #3

Written by Brian Wood and art by Becky Cloonan (AiT/Planet Lar).

Auch wenn die Geschichten in Demo alleine stehen können, verbindet sie ein gemeinsames Motiv. Das instinktive Verhalten der Hauptfiguren wird – psychoanalytisch gesprochen – von den Archetypen Schatten und Selbst bestimmt. Ausgabe 3 trägt den Untertitel „Bad Blood“ und könnte ebenso gut Titel eines Musikclips sein. Woods Comicausgaben konzentrieren sich auf zwischenmenschliche Beziehungen ohne Wert auf ein Setting, eine Ausschmückung oder eine zeitliche Terminierung zu legen. Dazu passen die Panels, die größtenteils (nur) die Gesichter der Protagonisten abbilden.

Samantha – Teenager, Schülerin, Tochter – ist auf der Suche nach ihrer Identität und ihren Wurzeln – wer ist das nicht? Als ihr Vater stirbt, den sie seit ihrem vierten Lebensjahr nicht mehr gesehen hat, glaubt sie, ein weiterer Teil ihrer Identität sei weggebrochen. Mit ihrem draufgängerischen Halb-Bruder Sean steht sie Filterzigaretten rauchend am Grab. Ein Gespräch will an diesem Ort nicht so richtig gelingen, so dass sie in Seans Auto steigen und sich auf die Suche nach Streichhölzern machen – der Autozünder scheint es nicht zu tun. Auf dieser Odyssee entsteht zwischen den Halb-Geschwistern ein epischer Dialog. Wood legt dem Mädchen typische Klischees in den Mund: Als Scheidungskind, deren Mutter früh verstarb, fehlte ihr ein herzlicher Hort zum Großwerden. Stattdessen wurde sie in ein Internat gesteckt, sogar in den Ferien musste sie sich dort langweilen. Wie gerne hätte sie mit Sean und ihrem Vater zusammengelebt.

Während dieses Gesprächs artikuliert „Sam“ ihren ganzen Zorn über ihren toten Vater, um dann eine vollkommen unerwartete Wendung zu erfahren.

Über den Plot hinaus muss sich Wood die Frage stellen, was das Menschsein ausmacht. Gewiss unbewusst weist Wood auf die Divergenz von Identität und Sein hin. Insofern tröstet das Ende nicht über den Tod Samanthas Vater weg.

8/10

Philos

Demo #1

Written by Brian Wood and art by Becky Cloonan (AiT/Planet Lar).

Telekenese als Allegorie einer rebellischen Jugend. Diese Idee könnte von den X-Men gestohlen sein. Doch Maries wahres Geschenk ist ein anderes: Sie besitzt die Fähigkeit, die eigene Mutter zu verlassen. Brian Wood strengt in diesem Auftakt einen Streifzug durch das Leben eines jungen Pärchen an. Marie und Mike, von der Liebe zueinander genährt, wollen aus einem amerikanischen Durchschnittsvorort in die große Stadt New York City fliehen. Dass es ihnen gelingt, erfährt der Leser gleich auf der ersten Seite. Ganz nach der alten Weisheit, der Weg ist das Ziel, steht die Reise in die Freiheit, jedoch unter einem schlechten Stern. Marie ist krank...

Die zunehmend kranker werdende Jugend stand wohl Pate für Woods Plot. Nach der Zeitung Die Zeit ließen sich Anfang des 21. Jahrhunderts in den USA 37 Prozent mehr Menschen wegen Depressionen behandeln als noch 1980. An US-Hochschulen gilt bereits jede sechste Studentin als krankhaft depressiv. Unweigerlich denkt der Leser bei Maries Brechanfällen, Nasenbluten und Handflächennarben an eine psychische Erkrankung. Ihr selbstgewählter Weg ohne Medikamente kann auch Appell an eine von Pharmazie abhängige Gesellschaft sein. "Es gehen zu lassen" und "es versuchen zu kontrollieren" sind die apodiktischen Lehrsätze des jungen Mädchens.

Dass die Realität leider anders aussieht, als es das Ende des Comics vermuten läßt, schafft Wood nicht mehr anzudeuten.

Aber auch so ist Demo #1 ein verheißungsvoller Auftakt der auf 12 Heften angesetzten Mini.

10/10

Philos

Sonntag, Februar 27, 2005

Superman: Secret Identity TPB

Written by Kurt Busiek, art by Stuart Immonen (DC Comics). Deutsch: "DC Premium 33: Superman - Geheimidentität" (Panini Comics, ISBN 3-89921-805-1).

Clark Kent, der Protagonist dieser Mini, wird sehr einfühlsam vorgestellt. Er ist ein junger Mensch, der unter seinem Namen leidet und sich tiefsinnige Gedanken über die Welt macht. Dass sich die anderen Kleinstädter in Kansas über ihn lustig machen, ist zwar versponnen, aber aus Busieks Sicht wohl für den Fortlauf der Geschichte sehr wichtig. Ich hätte mich unter Verzicht dieses dämlichen Klischees (Junge, Außenseiter, zeigt es später allen) allein auf die anderen sehr schöne Gedanken konzentriert. Busiek kündet eine erste Liebe Clarks an, die dieser trotz seines außergewöhnlichen Geistes nicht für sich gewinnen kann. Hier liegt die wahre Stärke des ersten Bandes, der die Jugendjahre Clarks streift.

Wunderbar sind auch die Landschaftsdarstellungen, in denen Clark kontemplative Momente erlebt. Überhaupt ist dieser Superman kein Großstadtmensch, sondern tief in seinem Herzen ein Butzenscheibenbürger, der sich im weiteren Verlauf für seine Familie ein freistehendes Einfamilienhaus wünscht, der die Zurückgezogenheit, die Ruhe, die Gewöhnlichkeit liebt. Superman als gesetzter Familienvater. Kurt Busieks Darstellung Supermans ist brillant. Für mich war die Gestalt wegen ihrer Omnipotenz immer langweilig und eindimensional. Doch Busiek skizziert in seinen ausschweifenden inneren Monologen so viele nachdenkenswerte Momente, dass jeder (Comic-)Leser ins Grübeln gerät. Dabei verzichtet er keineswegs auf Spannung. Die Verschwörung, die Versuche Supermans mit der Regierung zu kooperieren, schließlich die Verbündung zu einer Super-Familie, all das sind von Stuart Immonenen herrlich in Szene gesetzte Handlungsabschnitte.

Darüber ist Superman Geheimidentität nicht nur ein Comic, sondern für mich ein großer Roman, der abgesehen von kleinen (vielleicht comic-bedingten) Redundanzen und wenigen Offensichtlichkeiten ein überragendes Stück Gegenwarts-Belletristik ist. Schließlich ist es die beste Mini des Jahres 2004.

10/10
Philos