Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Sonntag, August 14, 2005

Powers: Little Deaths TPB 3

Written by Brian M. Bendis, pencils by Michael A. Oeming (Image). Deutsch: "Powers: Wer hat Retro Girl ermordert?" erschien in Hit Comics #35 - #38.

„Powers“ ist in Deutschland weniger eine Kultserie als vielmehr ein Geheimtipp unter Comic-Insidern. Die Serie gewinnt von Band zu Band an Tiefe und versteht es immer durch harte, aber rührende Geschichten den Leser zu begeistern. Die Freiheit, die sich Bendis und Oeming bei der Schaffung dieser Geschichten nehmen, erkennt man in jedem Panel. Das ist jedoch keine Erfolgsgarantie. Nur ausserordentlich talentierte Autoren wissen wie man seine kreative Freiheit nutzt ohne dabei den Leser zu vergraulen.

Während die beiden ersten Bände hervorragende, aber auch konventionelle, Kriminalgeschichten waren, ist diese Storyline schon etwas gewagter, ja experimenteller. Keine Angst, liebe Leser, wenn ich „experimentell“ schreibe, meine ich das nicht im üblichen intellektuellen Sinn, d.h. die Serie bleibt weiterhin hochgradig unterhaltsam und jedem Comic-Fan zumutbar.

Die Storyline heisst „Little Deaths“. Solltet ihr nicht genau wissen wofür der Titel steht, lege ich euch nahe, in einem Fremdwörterbuch unter „Orgasmus“ nachzuschauen. Bendis thematisiert das Privatleben der Prominenten (Superhelden) und konzipiert ganze Teile dieses Storyarcs wie eine Boulevard-Zeitschrift: Werbung, Hintergrundberichte und Interviews werden auf elegante Weise in die Geschichte integriert. Doch natürlich werden die Leser auch in diesem Band nicht auf einen Mordfall verzichten müssen. Walker und Pilgrim untersuchen den mysteriösen Tod von Olympia, einen weiteren bekannten Superhelden, der unter seltsamen Umständen tot aufgefunden wird. Mit „seltsamen Umständen“ meine ich: ein wohlhabender, berühmter und verheirateter Superheld wird alleine in einem runtergekommenen Zimmer tot aufgefunden und zwar ohne jegliche Spuren der Gewaltanwendung. Die Tatsache, dass er dabei vollkommen nackt ist , macht die ganze Angelegenheit nicht einfacher. Eine wunderbare Gelegenheit für unsere beiden Helden im Sex-Leben des Superhelden rumzuschnüffeln. Handelte es sich tatsächlich um einen Mord? Die Lösung dieses Rätsels überlasse ich mal wieder euch.

Bei der zweiten im Band enthaltenden Geschichte steht die Detektivarbeit Walkers mal ausnahmsweise im Hintergrund, denn ein berühmter Comicbuchautor recherchiert im Powers -Revier: Mr. Warren Ellis. Ihr habt richtig gelesen, Warren Ellis taucht als Comic-Figur auf und hält Monologe zur ganzen Comic-Branche. Wunderbar, wie Bendis hier einen für die Serie fremden Aspekt auf ungezwungene Weise in die Geschichte zu integrieren vermag. Ein Muss für jeden Kenner.

Wie ich schon in meiner Rezension zum zweiten Band geschrieben habe, machen auch Oemings Zeichnungen immer mehr Spass, v.a. die Perspektive und die Kolorierung rauben mir immer öfter den Atem. Die Serie bereitet mir grosse Freude. Ich bezweifle jedoch, dass sie jedermanns Sache ist. Ich rate euch deshalb, erst einmal in den Band hineinzuschauen bevor ihr euch zum Kauf entschliesst.

8/10
Lamond

Review zu Powers: Who killed Retro-Girl? TPB 1 unter
Review zu Powers: Roleplay TPB 2 unter

Nightcrawler: The Devil Inside TPB

Written by Roberto Aguirre-Sacasa, pencils by Darick Robertson (Marvel). Deutsch: Keine Veröffentlichung.

Die X-Men sind ausserordentlich beliebte Comic-Charaktere. Natürlich meine ich mit „beliebt“ vor allem erfolgreich und mit „erfolgreich“ meine ich selbstverständlich „umsatzstark“. Lange hielt sich bei Comic-Kennern sogar das Gerücht, dass eine Serie lediglich ein „X“ auf dem Deckblatt haben muss, um sich überdurchschnittlich zu verkaufen. Und was tut man als Verleger, wenn man ein Produkt hat, das sich von selbst verkauft? Das was jeder halbwegs vernünftige Geschäftsmann tun würde: Man schlachtet es aus. Das ist die Erklärung, weshalb in regelmässigen Zyklen immer wieder Spin-Offs der X-Men veröffentlicht werden. Leider waren diese bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Wolverine) nicht so „beliebt“. Aber von Zeit zu Zeit ist eine dieser Spin-Off-Serien auch richtig gut. Was ich mit „gut“ meine erfahrt ihr, wenn ihr weiter lest.

Kurt Wagner ist nicht nur ein sensibler, scheuer und liebenswürdiger junger Mann mit einem grauenhaften deutschen Akzent („Vas?!, Oh mein Gott!), nein, er ist all das und hat zudem ein blaues Fell. Ach ja, des Weiteren sieht er aus wie der Teufel und kann sich nach Belieben umher teleportieren. Unter den Marvel Mutanten gibt es solche, die zwar äusserlich wie ganz normale Menschen aussehen aber dafür mit ganz üblen Persönlichkeitsstörungen „gesegnet“ sind (Wolverine, Emma Frost, Gambit) und dann gibt es noch solche, die zwar wunderbare Zeitgenossen sind, aber mit einem etwas exzentrischen Äusserem klarkommen müssen (Beast, Cyclops, Angel). Kurt, auch bekannt als „Nightcrawler“, gehört zur letztgenannten Kategorie. Sein Äusseres ist jedoch ein Hinweis auf einen Aspekt, der im Marvel Universum nie wirklich im Vordergrund stand: Spiritualität, Religiosität, Okkultismus und Mythologie (Ich sehe mal von Doc Strange ab). In einer Welt, in der Superhelden und Superschurken die Hauptrolle spielen, bekamen Himmel und Hölle nur eine bescheidene Rolle zugeteilt. So war ich auch sehr misstrauisch, als ich von anderen Lesern erfuhr, dass sich diese Serie eben auf jene Ebene konzentrierte, denn in einem Universum, in dem man das Jenseits vor allem dazu nutzt, vermeintlich tote Charaktere wiederzubeleben, ist dies ein ehrgeiziges Unterfangen.

Kurt, der derzeit bei den Uncanny X-Men in der Gruppe ist (eine von vielen verschiedenen X-Teams) bekommt von Storm einen ungewöhnlichen Fall zugeteilt. In einem Weisenhaus werden von einem Tag auf den anderen 13 Kinder abgeschlachtet. Niemand hat was gesehen, niemand hat was gehört. Der einzige Zeuge ist ein kleiner Junge, der dieses Massaker als einziger überlebt hat und seit dem Vorfall stumm zu sein scheint. Als Kurt sich widerwillig dieses Falles annimmt, wird er mit übersinnlichen Rätsel konfrontiert. Alleine kann er dieses Mysterium nicht lösen und so lässt er sich auf ein Abenteuer ein, in dem er auf alte Bekannte, vergessene Flammen und neue Herausforderungen trifft.

Für diese Serie hat Marvel einen Autor beauftragt, der meiner Meinung nach zu den momentan meist unterschätzten Schreiberlingen gehört: Roberto Aguirre-Sacasa. Dieser machte die Fans mit seinem MK 4 Debüt auf sich aufmerksam - leider nicht so sehr, wie er es meiner Ansicht nach verdient hätte. Zu seinen Stärken gehört die rührende und sehr menschliche Darstellung altbekannter Figuren. Aus Stereotypen werden unter ihm glaubwürdige, komplexe und durchaus widersprüchliche Charaktere, die es schaffen eine enge emotionale Verbindung zum Leser herzustellen. Dasselbe gelingt ihm in dieser Serie und nicht nur mit der Hauptfigur, die schon in früheren Serien durch seine Menschlichkeit auffiel, sondern auch mit Nebencharakteren, die durch weitere frische Facetten bereichert werden, wie z.B. Storm oder Wolverine. Doch auch die Geschichte ist sehr unterhaltsam und versteht es den Leser mit nervenaufreibenden Spannungsmomenten zu fesseln. Ich jedenfalls konnte den Band nicht ablegen, bis ich auch die letzte Seite verschlungen habe. Als Zeichner wurde Darick Robertson verpflichtet, der sich durch sein Engagement bei der Serie „Wolverine“ zu einem Fan-Liebling entwickelt hat. Sein Stil ist ein Kompromiss zwischen den krassen Fotorealismus eines Brian Hitch und den cartoonartigen Zeichnungen eines Brian Bagley. Ich konnte mich an den Bildern kaum satt sehen. Ich möchte euch diesen Band wärmstens empfehlen, denn wie schon Aguirre-Sacasas MK 4 ist es pures Lesevergnügen und wird euer Fan-Herz höher schlagen lassen.

9/10
Lamond

Review zu Marvel Knights 4: Wolf at the Door TPB 1 unter http://supercomics.blogspot.com/2005/03/marvel-knights-4-wolf-at-door-tpb-1.html.
Review zu Marvel Knights 4: The Stuff of Nightmares TPB 2 unter