Wir sind Philos, Lamond und Seppstock. Hier findet ihr farbenfrohe Bilder, kleine Sprechblasen und unsere Meinung dazu.

Donnerstag, April 21, 2005

Eagle

Gastrezension von Randy Fisk. Sehr vielen Dank!

Written and art by Kaiji Kawaguchi. Deutsch: Egmont Manga & Anime, TB, 11 Bände.

Der packende Polit-Thriller "Eagle" ist eine Manga-Serie, die man getrost auch bisherigen Mangaverächtern empfehlen kann, bietet sie doch exzellente Unterhaltung abseits aller behaupteten üblichen Manga-Klischees. Im Januar ist jetzt endlich auch in Deutschland der abschließende 11. Band bei Egmont Manga & Anime erschienen. Zum Inhalt: Der japanischstämmige Senator Kenneth Yamaoka macht sich auf, am Rennen um die Nominierung zum demokratischen Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahl teilzunehmen. Dabei erweist sich der undurchschaubare Yamaoka als Meister der Strategie und begnadeter Strippenzieher, der, das wird recht schnell deutlich, auch vor äußerst fragwürdigen und zunehmend unmoralischen Methoden nicht zurückschreckt. Begleitet wird der Wahlkampftross vom jungen japanischen Reporter Takashi Jo. Schon bald stellt sich heraus, dass dieser in Wahrheit der uneheliche Sohn Yamaokas ist, wobei kurz zuvor Takashis Mutter unter mysteriösen Umständen verstorben ist. Zunehmend fassungslos muss Takashi mitansehen, wie sich Yamaoka mit skrupellosen und eiskalt manipulativen Methoden seinen Weg zur Macht zu bahnen beginnt.

"Eagle" wurde von der Kritik weitgehend positiv aufgenommen. Die vereinzelten negativen Stimmen machten ihre Ablehnung vor allem daran fest, dass ein japanischer Einwanderer als Kandidat für das US-Präsidentenamt zu unglaubwürdig sei. Dabei wurde durch das oft wiederholte, plakative "Japaner will US-Präsident werden!" leider suggeriert, dass Yamaoka direkt aus Japan kommend, quasi vom einlaufenden Immigrantenschiff aus in die Politik gegangen sei, was natürlich nicht im Geringsten der Fall ist: Die Yamaokas sind bereits 1920 eingewandert, vollständig amerikanisiert und assimiliert, und der Yale-Absolvent Yamaoka ist durch sein Einheiraten in eine der mächtigsten Familien des New England-Geldadels bereits zu Beginn seiner politischen Laufbahn Mitglied des US-Establishments. Übrigens sind japanischstämmige Aufsteiger in der US-Politik (Bush-Minister Norman Y. Minota, div. Senatoren wie Daniel Inouye u. a.) längst Realität geworden: Kawaguchis Manga hält dem Realismus-Check zumindest in seiner Ausgangssituation locker stand.

Was "Eagle" so überzeugend und außergewöhnlich macht, ist die selten gelungene Mischung aus politischer Information, ja, eigentlich politischer Bildung und spannender Unterhaltung auf hohem Niveau. Kawaguchi hat die Strukturen der US-Politik äußerst seriös bis ins Detail hinein recherchiert (was ihm auch in den USA attestiert wurde) und er liefert interessante Einblicke in die Mechanismen der Macht, berichtet von Intrigen und Machenschaften hinter den Kulissen, vom Einfluss der Medien u.v.m. Diese überzeugende und faktensichere Basis liefert allerdings vor allem den glaubwürdigen Hintergrund für eine spannende Aufsteiger- und "Außenseiter, der sich durchboxt"-Story, die immer wieder mit Thrillerelementen aufwartet und ihre Antworten geschickt bis zuletzt unter Verschluss hält.
Die zahlreichen Hürden und Widersacher, die der übrigens äußerst komplex charakterisierte Yamaoka zu überwinden und aus dem Weg zu räumen hat, stehen dabei jeweils für ein bestimmtes Problem, einen Themenbereich der US-Gesellschaft: Waffenkontrolle, Rassismus, militärisches Engagement, Vietnamtrauma, Einwanderungsproblematik, Arbeiterrechte usw. Durch diese Aneinanderreihung thematischer Einzelepisoden schafft es der Autor, ein enorm weites und aussagekräftiges Spektrum amerikanischer Befindlichkeiten auszubreiten, einen Querschnitt durch die Probleme des heutigen Amerika zu zeigen. Hier ragt sicherlich Band 10 heraus, in dem Kawaguchi nicht weniger als eine bestechend und umfassende Analyse der Rassismusfrage im heutigen Amerika gelingt.
Man muss allerdings einräumen, dass "Eagle" eindeutig ein Werk der Prä-09/11-Ära ist: Die aktuelle politische Diskussion, die sich in den USA ja mittlerweile größtenteils um die innere und äußere Sicherheit, den "Kampf gegen den Terrorismus" und das militärische Eingreifen im Nahen Osten dreht, konnte in die vor September 2001 im Original erschienene Serie natürlich noch nicht einfließen. Kawaguchis Sicht der politischen Verhältnisse der USA ist äußerst kritisch, er zeigt eine korrupte Welt der Intrigen und Machenschaften, in denen der Zweck (fast) immer die Mittel heiligt. Wer sich hier allerdings gepflegtes US-Bashing erhofft, wird enttäuscht werden. Nichts liegt dem Autor ferner, als die Verhältnisse in den USA pauschal zu verdammen, immer wieder hebt er auch die Stärken und positiven Seiten des amerikanischen Systems hervor, stets wird die USA als im Kern, in ihrer Grundausrichtung eindeutig positive Kraft gewertet.

Aber alle politische Kritik und Informationsfülle mal beiseite gelassen: Der wahre Grund, warum man diesen Comic verschlingt, ist die durchgehende Spannung der Handlung. Es ist ungemein interessant und wirklich spannend mitzuverfolgen, wie Yamaoka das politische Establishment aufmischt und sich seinen Weg bahnt. Die szenische Zuspitzung und zeichnerische Darstellung fast sämtlicher Dialoge als Duellsituationen trägt ihren Teil zur hohen Intensität und Dichte bei. Dabei entsteht der oft genannte, aber selten erlebte "Sogeffekt", bei dem man sich kaum von der Lektüre losreißen kann. Die entscheidenden Fragen werden lange Zeit geschickt in der Schwebe gehalten und man fiebert mit, ob Yamaoka tatsächlich der Durchmarsch gelingt oder was wirklich hinter dem Tod von Takashis Mutter steckt. Die Zeichnungen sind klar, ruhig und solide, sie transportieren das Geschehen adäquat und überzeugend. Es finden sich hier auch keine der von Mangafeinden so verabscheuten zeichnerischen Merkmale mancher Mangagenres wie Überemotionalität der Mimik oder überproportionale Augen und Köpfe der Figuren, der Stil ist bewusst realistisch gehalten. Es soll nicht verschwiegen werden, dass nicht alle Episoden von Yamaokas Weg die gleiche hohe Qualität und Dichte aufweisen. Auch über den Schluss, die letztendliche Lösung aller Fragen kann man sicher geteilter Meinung sein, hier ist leider nicht alles gelungen.

Aber auch trotz einiger Schwächen bleibt dies ein großer Wurf, ein wirklich toller und lesenswerter Comic, der Unterhaltung, politische Information und Kritik geschickt miteinander verbindet und letztlich ein überaus spannender und kluger Polit-Thriller ist. Für Mangaliebhaber sowieso absolute Pflichtlektüre, bietet diese Serie auch für bisherige Mangaverächter eine wirklich gute Möglichkeit, die eigene ablehnende Einstellung mal auf den Prüfstand zu stellen und in die Manga-Welt reinzuschnuppern. All denen sei die Serie wärmstens empfohlen.

Randy Fisk

Sonntag, April 17, 2005

Runaways (Vol. 2) #1 - #2

Written by Brian K. Vaughan, art by Adrian Alphona (Marvel).

Was wurde nicht schon alles über die Marvel-Serie Runaways geschrieben. Sie gilt als innovativstes Produkt des Hauses der Ideen seit Jahren. Sechs Jugendliche finden beim alljährlichen Treffen ihrer Eltern in Malibu (Los Angeles) heraus, dass diese abgrundtief böse sind. Der Verdacht eines jeden Kindes realisiert sich. Natürlich verhalten sich die Mütter und Väter ihren Kinder gegenüber liebevoll. Nur einmal im Jahr kommen sie zusammen, um ihre Weltherrschaftspläne zu überdenken, Jungfrauen zu opfern und ihre "Schöpfer", die Gibborim, zu huldigen. Den Runaways ist das zuviel und sie machen sich auf, ihr elterliches Nest zu verlassen, um gegen ihre Eltern zu opponieren. Achtzehn Hefte lang durfte Brian K. Vaughan über die Abenteuer der Runaways und ihren Kampf gegen "The Pride" - der Geheimname der elterlichen Organisation - schreiben. Dann wurde die Serie mangels ausreichender Verkaufszahlen eingestellt. Diese 18 Hefte sind vielleicht das Beste, was Marvel je produziert hat. Deshalb lege ich jedem die soeben erschienenen drei Digests (http://www.marvel.com/comics/trades/detail.htm?id=350) zu je $ 7.99,- ans Herz, in denen das komplette Vol. 1 nachgedruckt ist.

Trotzdem sollte Brian. K. Vaughan noch eine Chance erhalten, als im Februar 2005 die Serie als Volume 2 gerelauncht wurde. Nicht zuletzt war das das Verdienst der vielen Fanboys, die Marvel die Tür einrannten. In so einer Situation besteht immer die Gefahr, dass man die Geschichte einfach weiter erzählt und die Leser, die die erste Season nicht gelesen hat, missachtet. Vorliegend ist es glücklicherweise anders: Erstens liegt mit Heft 18 des Volume 1 ein Abschluss der Serie vor, was ein Anknüpfen unmöglich macht und zweitens schafft Brian K. Vaughan mit den zwei vorliegenden Heften des Volume 2 einen ganz natürlichen Zugang zum Runaways-Universum. Vaughan entwickelt sein Konzept konsequent weiter, ist bereit seinen ursprünglichen Plot des Eltern-Kinder-Konflikts zu verlassen und tut neue Gefahren auf.

So flüstert eine "Freundin" aus der Zukunft den Runaways, dass eine riesige Bedrohung in nicht allzu ferner Zeit die Avengers und alle anderen Marvel-Helden dank seiner ungeheuren Kraft töten wird, wenn die Runaways nicht in der Gegenwart diese Person liquidieren würden. Selbstverständlich handelt es sich beim "world-ending supervillain" Victorious im Jahre 2005 noch um ein High School Kid namens Victor Mancha, das edler Abstammung sein soll. Wer sein Vater ist, wurde noch nicht gelüftet. Außerdem bekommen es die Runaways mit dem Team Excelsior zu tun, einer Gruppierung junger B-Helden, die von einem anonymen Gönner beauftragt wurden für eine Unsumme die Runaways zu finden. Wie man merkt, schafft Vaughan eine Reihe von verzwickten Handlungssträngen, die er gewohnt gekonnt ausspielt.

Dazu zählt auch sein Gespür für Charakterisierungen. Ebenso wie Chase vom Tod der zukünftigen Gert berührt ist, werden die unterdrückten Gefühle Nicos für den verstorbenen Alex deutlich. Diese Verbindungen zwischen den Charakteren ist der eigentliche Motor der Geschichte. Sowohl den Runaways als auch dem Team Excelsior fehlt gegenwärtig ein Ziel in ihrem Leben. Dieses überspannende Thema des Restarts stellt Vaughan schön heraus.

Adrian Alphona hat sich gegenüber dem Original Debüt-Heft enorm gesteigert. Seine Zeichnungen sind komplexer geworden. Besonders die Gesichter werden feiner gezeichnet. Dabei hat er immer noch den an Josh Middleton erinnernden charmanten Stil. Auch die Kolorierung ist satter und leuchtender. Mit Jo Chen zeichnet ein Superstar die Cover der Serie.

9/10
Philos

Powers: Roleplay TPB 2

Written by Brian M. Bendis, pencils by Michael A. Oeming (Image). Deutsch: "Powers: Wer hat Retro Girl ermordert?" erschien in Hit Comics #35 - #38.

Nachdem im ersten Band der Tod von Retro Girl geklärt wurde, stehen unsere zwei Detektive auch schon vor ihrem nächsten Fall: Ein ehemals bekannter Superheld wird tot aufgefunden. (Wer hätte denn damit gerechnet?) Keine Angst, liebe Leser, es handelt sich nicht um dieselbe Geschichte wie in der ersten Storyline, denn der vermeintliche Superheld ist lediglich ein verkleideter Junge. Es ist kein Zufall, dass es wieder Walker ist, dem diese Tatsache auf Anhieb klar ist. Das Opfer wurde von Innen verbrannt. In der Tat handelt es sich dabei um keine gewöhnliche Todesursache. Sodann nehmen Walker und Pilgrim ihre Ermittlungen auf und stossen auf Zeugen, die behaupten einen früher mal berüchtigten Superschurken am Tatort gesehen zu haben, der dem Jungen mit einer Art "Elektrowaffe" ermordert haben soll.

Die Anhaltspunkte führen Walker zu einer Gruppe von Studenten, die sich in ihrer Freizeit gerne als bekannte Superhelden verkleideten und sich anschliessend über die Dächer der Stadt jagten (Rollenspiel). Aber niemand will wirklich wissen, was am besagten Abend geschehen ist. Auch ist ihnen der gesichtete Schurke unbekannt. Wer also hat ein Interesse daran, harmlose Jugendliche zu ermorden? Das müsst ihr selbst nachlesen ;-)

Wie schon in der ersten Geschichte handelt es sich hier um eine hervorragende Kriminalgeschichte. Die Lösung des Falls ist alles andere als offensichtlich, doch sie ist auch nicht an den Haaren herbeigezogen. Als Leser spürt man ganz deutlich, dass Brian M. Bendis sich mit Powers auf heimischen Boden befindet, denn er hält sich an alle Regeln der Kriminalkunst ohne dabei zu langweilen. Der Aufbau jedoch ist konventionell. Damit meine ich aber weder die Charakterisierung der Hauptfiguren noch die prächtigen Dialoge, die einen unweigerlich zum lächeln bringen werden. Mich hat diese zweite Geschichte besser unterhalten als die erste, was unter anderem daran liegen mag, dass ich mittlerweile Oemings Artwork und vor allem die wunderbare Kolorierung zu lieben gelernt habe. Ich für meinen Fall möchte Powers nicht mehr missen und empfehle dieses Trade alle jenen Comicfans, die eine Schwäche für klassische Kriminalgeschichten haben.

8/10
Lamond